Abschied nehmen

Abschied nehmen Trauer

Abschied nehmen

In einem Blogbeitrag, ich glaube es war im März, während des Lockdowns, erzählte ich von der Begegnung mit einem schwerkranken jungen Mann und seiner Mutter. Die beide trafen sich, durch einen Gartenzaun getrennt, mit ihren Nachbarn, genossen das herrliche Wetter und ließen es sich bei einem Getränk gutgehen. Mutter und Sohn wirkten so glücklich. Wir waren am Spazierengehen und unterhielten uns spontan mit ihnen. Kurze Zeit später waren wir Teil dieser besonderen kleinen Runde.

Abschied nehmen

Der junge Mann war sehr krank. Der Krebs war wieder gekommen. In der Weihnachtszeit hatte es in unserem Dorf eine groß angelegte Stammzellen-Spendenaktion für ihn gegeben. Es wurde tatsächlich ein passender Stammzellenspender gefunden und die Behandlungen begangen. So viel Hoffnung hatten sie alle.

Heute, wieder beim Spazierengehen, kam ich am Friedhof vorbei. Ich sah ein frisch aufgeschüttetes Grab; es war seins. Ich ging zu seinem Grab und nahm Abschied, Abschied von einem tapferen jungen Mann, der viel zu früh von uns gegangen ist und bei seiner Familie und Freunden eine große Lücke hinterlassen hat.

Beim weiteren Spazierengehen kamen allmögliche Gedanken, auch an meine Freundin Katja, die heute 54 Jahre alt geworden wäre. Auch sie ist viel zu früh gegangen und hat eine große Lücke hinterlassen. Ich freue mich sehr, dass ihr Mann, der sie nicht nur im übertragenen Sinne auf Händen getragen hatte, eine wundervolle neue Partnerin gefunden hat und mittlerweile auch stolzer Opa ist und zu seinen beiden Söhnen ein ausgesprochen herzliches Verhältnis hat.

Beim weiteren Spaziergang musste ich auch nachdenken, wie wir mit Trauernden umgehen. Ich war Studentin, als eine Kommilitonin von mir ihre Mutter verlor. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte, als ich ihr im Treppenhaus begegnete. Ich bin einfach auf sie zugegangen und habe ihr gesagt, wie leid es mir täte. Sie begann zu erzählen. Von ihrer Mutter, ihrer Zeit mit ihr und ihrem Schmerz. Und ich hörte zu.

Diese Erfahrung machte ich ein paar Jahre später wieder in der entfernten Familie: zuhören, da sein. Und auch mit Katja. Sie rief mich einmal an, als ich am Arbeiten war. Ich sagte ihr, dass es gerade ein schlechter Moment sei. „Das ist in Ordnung“, antwortete sie und ich wusste, dass sie es so meinte. Aber nachdem ich aufgelegt hatte, war es nicht in Ordnung für mich. Meine schwerkranke Freundin rief mich an und ich hatte keine Zeit. Ich rief sie zurück und nahm mir die Zeit. Und sie erzählte mir, dass sie wieder eine niederschmetternde Diagnose erhalten hatte. Und ich hörte zu und wusste nicht, was ich sagen sollte, aber ich war für sie da und hielt ihren Schmerz aus.

Meine Tante erzählte mir einmal, wie sehr es sie schmerzte, als Leute aus dem Ort, nachdem sie ihr Kind verloren hatte, die Straßenseite wechselten. Meine Tante hat zwei Kinder verloren, in nur fünf Jahren. Ich weiß auch nicht immer, was ich in solchen Momenten sagen soll, aber ich habe gelernt, dass es nicht auf die Worte ankommt, sondern aufs Dasein. Ja, es ist meistens nicht angenehm, aber für uns ist es nur ein Moment und dann sind wir schon wieder in unserem Alltag. Für die Trauernden ist es kein Moment, sondern eine neue, verdammt schmerzhafte Realität.

Es geht hier nicht um clevere  Worte, sondern ums Dasein. Ums Zuhören. Ums Aushalten können. Es geht nicht um uns, um unsere Hilflosigkeit, sondern um den anderen. Sie werden es dankbar annehmen. Und auch wir werden etwas mitnehmen: Demut. Abschied nehmen erdet uns und macht uns deutlich, was wirklich wichtig ist im Leben: Liebe.

Bettina Bonkas, Coaching + Training | Im Ärmchen 3, D-61273 Wehrheim im Taunus | Contact | Impressum | Data Protection | Datenschutz Cookie-Settings | Cookie-Einstellungen