Hier die Kurzgeschichte für März. Viel Spaß beim Lesen! 🙂
Not with me by Bettina Bonkas
The alarm clock rang. Eve always got up straight away. She hated staying in bed in the morning. She had her morning ritual: First a shower, then breakfast, brushing her teeth – always after breakfast! – and finally getting dressed. There was also a clear line to be found in her clothing: outfits in blue, outfits in grey, subtle striped outfits. She worked for a consulting company, they had a dress code. Just not getting any attention was her motto. She once attended a meeting where a consultant took his colleague’s jacket by mistake. “They all look the same”, he said smiling. She had to smile too because he was right. But then she saw his white socks. White socks with a dark suit! She froze. There was a dress code for socks too. But he would certainly learn about that.
She took the 8.25-train to Frankfurt. She wanted to be at work at the latest by 9 o’clock. She was working at a bank at the moment, in accounting to be more precise. Mr Friese worked in accounting too. He had worked there for 30 years, since finishing his apprenticeship. He always wore a checked flannel shirt and a cotton v-neck jumper on top when it was cold. Most of the time he wore a pair of dark brown cords and sometimes, when he was in a meeting, a pair of dark pleated trousers. Mr Friese was tall, slim for his age and he had greying dark hair. “A healthy mind in a healthy body”, his Grandma used to say, he once told her. So he went hiking at the weekend and usually took his kids, 6 and 9 years old, with him.
Mr Friese seemed to trust her. When his work permitted and he was very diligent about his work, he told her about his family. Sometimes he even brought her some biscuits. His wife, a small, stout woman in her mid-forties with red cheeks had baked again. Eve knew her from photos. Mr Friese had two photos on his desk: One of his family and one only of his wife together with their two children. When it was baking day, he always gave Eve some biscuits. His wife baked on a Thursday, a little treat for the last day of the week. She always baked butter biscuits, not those fancy biscuits with chocolate sprinkles on top.
The family always spent their holidays in Bavaria. He had relatives there and he felt altogether more at home in Bavaria with its landscape and structure than in Hessen. “They are firm with foreigners. Hessen is completely overrun. It’s terrible what I see every day at the central railway station”, Mr Friese looked disgusted. He had to look after his elderly parents so, of course, it was unrealistic even to think of moving there. However they always looked forward to their holidays in Bavaria with the high mountains, the Bavarian sense for comfort and rich tradition and, of course, the fresh air.
Her consulting colleagues took pleasure in poking fun at Mr Friese. When they had lunch together, they always made fun of her: “Are you eating less because it was baking day yesterday?” Or they talked directly about him: „I’m sure he sends his kids on a Bavarian course. Why learn English when you can do with Bavarian?” and they burst out laughing. They also mocked his plodding way of talking. Some of them seemed so complacent. Even though Eva found Mr Friese disconcerting at times, she felt like defending him against her colleagues’ malice. She once even tried but then they only asked her if they had mixed something into her biscuits and went on gossiping about him before they moved on talking about their diving holidays in the Maldives and their Sky Diving experiences.
One of the consultants did not talk ill of Mr Friese. Jeffrey Galway their colleague from the United States. “Stop it! We treat our clients respectfully. It doesn’t mean that we have to like them but respect is a must!” When he was angry he spoke with a strong American accent. But his voice accepted no contradiction. And no one did contradict him. Eva was surprised at his authority and also a bit jealous. The consultants went on talking about their holidays and their leisure activities and Mr Friese was soon forgotten.
It was only a question of time before his name came up again. This time for professional reasons. “He is very reliable, no doubt about that”, his supervisor would say. “But nowadays it takes more than that. He lacks flexibility and entrepreneurship.” So it didn’t come as a surprise when the company decided to make him redundant.
Did he know about it? She looked for traces in his face and was distracted from his hands. He had taken a handgun out of his briefcase. Somewhere in the back of her mind she remembered he had once mentioned a shooting club.
“I’ve been doing my job properly for more than 30 years and then those snobby consultants and that darky come and take away everything I have been working for. Everything!” he said and shot.
Jeffrey Galway was a consultant and he was black.
Nicht mit mir von Bettina Bonkas
Der Wecker klingelte. Eva stand immer sofort auf. Sie hasste es, morgens im Bett liegen zu bleiben. Sie hatte ihr morgendliches Ritual: Erst duschen, dann frühstücken, Zähne putzen – immer nach dem Frühstück! – und schließlich anziehen. Auch ihre Kleidung hatte eine klare Linie: Kostüme in blau, Kostüme in grau, Kostüme dezent gestreift. Sie arbeitete bei einer Unternehmensberatung, da gab es einen Dresscode. Bloß nicht auffallen, war ihre Devise. Bei einem Meeting griff ein Berater versehentlich nach dem Jackett eines Kollegens. „Sehen alle gleich aus“, sagte er mit einem Grinsen auf den Lippen. Sie musste auch lächeln, weil es stimmte. Aber dann sah sie seine weißen Strümpfe. Weiße Strümpfe mit einem dunklen Anzug. Sie erstarrte. Auch für die Strümpfe gab es einen Dresscode. Aber das würde er sicherlich noch lernen.
Sie nahm die Bahn um 8:25 Uhr nach Frankfurt. Sie wollte spätestens um 9:00 Uhr in der Bank sein, in der sie zur Zeit eingesetzt war. Ihr Einsatzgebiet war in der Buchhaltung. Dort arbeitete auch Herr Friese. Herr Friese war schon seit 30 Jahren in der Bank tätig, seit seiner Lehre. Und er arbeitete schon seit 30 Jahren in der Buchhaltung. Er trug immer ein kariertes Flanellhemd und wenn es kälter war einen Baumwollpullover mit V-Ausschnitt drüber. Meistens trug er eine dunkelbraune Cordhose dazu, manchmal, wenn Besprechungen anstanden, eine dunkle Buntfaltenhose. Herr Friese war groß, für sein Alter noch sehr schlank und hatte angegraute dunkle Haare. „In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist“, pflegte seine Großmutter immer zu sagen, hatte er ihr einmal erzählt. Deswegen ging er am Wochenende wandern. Seine zwei Kinder, 6 und 9 Jahre, nahm er meistens mit.
Herr Friese schien Vertrauen zu ihr zu haben. Wenn die Arbeit es zuließ, und da war er sehr genau, erzählte er ihr von seiner Familie. Manchmal brachte er auch Kekse mit. Seine Frau, eine kleine mollige Mittvierzigerin mit roten Wangen und braunen Augen, hatte wieder gebacken. Eva kannte sie von Fotos. Herr Friese hatte zwei Fotos auf seinem Schreibtisch stehen: Eins von seiner ganzen Familie und eins nur von seiner Frau mit den beiden Kindern. Wenn seine Frau gebacken hatte, gab er Eva immer ein paar Kekse. Seine Frau backte donnerstags, ein kleines „Leckerli“ für den letzten Tag in der Woche. Und sie backte immer Butterkekse, nicht so einen „Schnickschnack mit Schokostreuseln drauf“.
Ihren Urlaub verbrachten die Frieses in Bayern. Er hatte dort Verwandte und überhaupt, sagte ihm Bayern mit seiner Landschaft und Struktur mehr zu als Hessen. „In Bayern gehen sie konsequent mit Ausländern um. Hessen ist ja total überlaufen. Schlimm, was ich da so am Hauptbahnhof täglich sehe“, empörte sich Herr Friese. Aber er musste seine älteren Eltern betreuen, da dachten sie natürlich nicht an Umzug. Und so freuten sie sich jedes Jahr auf ihren Urlaub in Bayern mit den hohen Bergen, der bayerischen Gemütlichkeit und der guten frischen Luft.
Ihre Beraterkollegen machten sich über Herrn Friese lustig. Wenn sie gemeinsam zu Mittag aßen, zogen sie Eva auf: „Na, isst du heute wieder weniger, weil gestern Backtag war?“ Oder sie zogen direkt über ihn her: „Bestimmt schickt er seine Kinder zu einem Bayerischkurs. Wozu Englisch lernen, wenn’s auch mit Bayerisch geht?“ und sie brachen in Gelächter aus. Sie machten auch seinen behäbigen Tonfall nach. Manche von ihnen wirkten so selbstgefällig. Auch wenn Eva Herrn Friese selbst mitunter recht befremdlich fand, verspürte sie doch den Wunsch, ihn gegen die Bosheiten ihrer Kollegen zu verteidigen. Einmal hatte sie es versucht, aber dann musste sie sich anhören, dass „sie ihr wohl etwas in die Kekse gemixt hätten“ und sie zogen weiter über Herrn Friese her, bevor sie zu ihren Tauchurlauben auf den Malediven oder ihre Sky Diving Erlebnisse übergingen. Einer der Berater zog nicht über Herrn Friese her. Jeffrey Galway, ihr Kollege aus Amerika. „Hört auf! Wir behandeln unsere Kunden respektvoll. Das heißt nicht, dass wir sie mögen müssen, aber Respekt muss sein!“ Wenn ihn etwas ärgerte, kam sein amerikanischer Akzent voll durch. Aber seiner Stimme war anzuhören, dass er keinen Widerspruch duldete. Und keiner widersprach. Sie staunte über seine Autorität und war auch ein klein wenig neidisch. Die Berater sprachen wieder über ihre Urlaube und Freizeitaktivitäten und Herr Friese war im nächsten Moment vergessen.
Es war unweigerlich, dass er wieder Thema sein würde. Dieses Mal aus beruflichen Gründen. „Er ist ein zuverlässiger Arbeiter“, so seine Vorgesetzten. „Aber heutzutage bedarf es mehr. Es mangelt ihm an Flexibilität und Unternehmergeist.“ Es war nicht verwunderlich, dass die Firma sich von ihm trennen wollte.
Ob er es ahnte? Sie suchte in seinem Gesicht nach Spuren und war abgelenkt von seinen Händen. Aus seiner Aktentasche hatte er eine Waffe geholt. Irgendwo im Hinterkopf kam die Erinnerung an den Schießverein hoch, den er einmal erwähnt hatte. „Da macht man über 30 Jahre lang ordentlich seine Arbeit und dann kommen solche schnöseligen Beratertypen und Bimbos und nehmen einen einfach alles weg! Alles weg!“, sagte er und schoss.
Jeffrey Galway war Berater und er war schwarz.