Zuversicht Wege voller Licht und Menschen, die uns begleiten

Bank am Fenster mit Kerzen
Zuversicht – Wege voller Licht und Menschen, die uns begleiten

 

Zuversicht – Wege voller Licht und Menschen, die uns begleiten:  Zuversicht gibt Halt – gerade in Zeiten, die uns fordern. In meiner Geschichte geht es um genau diese Kraft: Wie sie uns antreibt, neue Wege zu gehen und wie sie in einem starken Miteinander entsteht. Denn Resilienz – die Fähigkeit, gestärkt aus Herausforderungen hervorzugehen – basiert nicht nur auf uns selbst. Oft sind es Beziehungen, die unsere innere Stärke wachsen lassen. Brauchen wir nicht alle Menschen, die uns zuhören? Bei denen wir uns fallen lassen und einfach sein dürfen?

Meine Geschichte inspiriert, Zuversicht zu finden und daran zu glauben, dass wir gemeinsam mehr bewirken können. – Ich bin fest davon überzeugt. Du auch? Eine Geschichte, die zu jeder Jahreszeit aktuell ist.

Freu Dich auf eine Fortsetzung meiner Martha & Alva“-Reihe, die zeigt: Zusammen geht mehr, als wir manchmal denken.

Und jetzt noch etwas Besonderes: Zusammen mit meiner Freundin Amelia aus England habe ich die Geschichte auf Deutsch & Englisch für Dich eingelesen. Schau bei YouTube rein und lass Dich inspirieren. 🙂 – Keine Zeit? No problem! Statt anschauen, einfach anhören. Happy Reading or Listening! 🙂

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All we need is Love

 Sternenglanz steht fuer All we need is Love

All we need is love – diese Worte bringen es auf den Punkt. Liebe ist das, was uns alle verbindet und in den entscheidenden Momenten trägt. In dieser Kurzgeschichte aus meiner Martha-und-Alva-Reihe geht es um Wärme, Begegnungen und die kleinen Gesten, die Großes bewirken können. Eine Erzählung über die Kraft von Verbindung, die uns zeigt, dass Liebe und Menschlichkeit selbst in herausfordernden Zeiten ihren Platz finden – wenn wir sie zulassen.

Ja, Gutes findet sich auch in unserem täglichen Leben – und mit Gestaltungswillen können wir noch mehr daraus machen. Meine Kurzgeschichte soll eine kleine Inspiration für Dich sein, die Du vielleicht mit ins neue Jahr nimmst. Viel Spaß bei: All we need is Love!

Fortsetzung meiner „Martha & Alva-Reihe“: Glühwein schmeckt auch in Schottland

Keine Lust auf Lesen? Hier geht’s zum Video: All we need is Love

All we need is Love by Bettina Bonkas

Das war die beste Nachricht überhaupt: „All we need is Love“ weiterlesen

Glühwein schmeckt auch in Schottland

Haeuser in Schottland in denen Gluehwein getrunken wird der lecker schmeckt
Glühwein schmeckt auch in Schottland

 

Glühwein schmeckt auch in Schottland – In diesem Jahr erhältst Du meinen Weihnachts- und Neujahrsgruß in Form einer Kurzgeschichte. Lass Dich mitnehmen in eine Geschichte, die vom Abschiednehmen und Neubeginn handelt. Von der Kunst, aus den Steinen, die uns immer wieder in den Weg gelegt werden, etwas Schönes zu machen. Eine Geschichte, die im Übrigen zu jeder Jahreszeit aktuell ist.

Meine Kurzgeschichte möchte ich zum Anlass nehmen, Dir das Konzept der „Salutogenese – Was uns gesund hält“ vorzustellen. Ich habe dazu einen extra Beitrag geschrieben, weil ich das Konzept nicht in ein paar Worten abhandeln wollte. Dazu finde ich Salutogenese viel zu interessant und bedeutsam. Vielleicht geht es Dir genauso, mit einem Klick kommst Du zu meinem Beitrag. 🙂

Glühwein schmeckt auch in Schottland – von Bettina Bonkas

„Noch etwas Milchkaffee?“

Ihre Gastgeberin hielt ihr die Espressokanne einladend entgegen. Eigentlich war Martha wunschlos glücklich, aber sie wollte einfach noch nicht Alva und ihre gemütliche Küche verlassen. Wo hatte sie nur all diese schönen Sachen her? Das kleine Holzschränkchen mit den Verzierungen und den bunten Knöpfen? Der große Spiegel mit geschwungenem Metallrand, in dem diese starke Postkarte steckte, auf die sie immer wieder schauen musste:

„What if I fall? – Oh, my darling, what if you fly*?“

(*“Was ist, wenn ich falle? Aber mein Schatz, was ist, wenn du fliegst?“)
Die Hände um die große Tasse haltend, ließ sie sich Kaffee & Milch nachschenken und blickte gedankenverloren aus dem Fenster, auf die mit Schnee bepuderten Dächer. Rauch stieg aus den Schornsteinen, Kristalle hingen an den Bäumen. Überall Weihnachtsbeleuchtung, die dem grauen Tag einen wundervollen Glanz verlieh. Was für eine Atmosphäre!

Gestern noch stand sie gestresst auf der Autobahn mit angespanntem Rücken und Kopfschmerzen. Sie hatte schon wieder bereut, dass sie – einer spontanen Eingebung folgend – diesen Kurztrip so kurz vor Weihnachten gebucht hatte. Aber jetzt war sie einfach nur froh, hier zu sein. Es war irgendwie total verrückt, aber sobald sie Alvas Wohnung betreten hatte, fiel all die Anspannung von ihr ab. Alva strahlte eine wohltuende Ruhe aus und gleichzeitig war sie so lebendig.

„Komm, ich zeige Dir erst einmal Dein Zimmer. Wenn Du soweit bist, kannst Du gerne zu mir hoch in die Küche kommen und ich mache uns einen Tee.“ Die Tasse Tee zur Begrüßung kannte Martha sonst nur aus England.

Gerne war sie Alvas Einladung gefolgt. Das Schöne und vor allem Entspannende war, dass sie einfach nur dasitzen konnte. Alva schien instinktiv zu spüren, dass ihr nicht nach reden war. Sie wollte einfach nur diese wohltuende Ruhe genießen, die von dieser Frau und ihrer Wohnung ausging.

Am zweiten Abend reichte ihr Alva Stifte und Papier. „Du magst vielleicht aufschreiben, was Dich bewegt. Damit bekommst Du es ziemlich gut aus dem Kopf.“

Martha zögerte erst, dann begann sie zu schreiben.

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März & April 2018: Eine Kurzgeschichte in zwei Teilen

By Leonard Bonkas

Auf Englisch & Deutsch – The power of Love II

Goodbye (part II) by Bettina Bonkas
2nd part
When granny was in hospital again, she called me in England. Something she’d never done before. She informed me that the doctors had found out the reason for her back ache. She had cancer in one of her ribs. Bone cancer. From that day on she was different. She was loving, I could already tell on the phone, and I really got to love her. I decided to interrupt my time in England and go back to Germany and do some jobbing. Often I went to see granny and our relationship became closer and closer. Then, that week came, in which everything went super quickly. On Monday her doctor told her that all treatment options had been exhausted. A couple of days later, on Thursday, she together with her sons had an appointment with her doctor in which he told them that they’d better quickly look for a place in a hospice as she only had a couple of weeks to live.

That was a real blow and somehow we didn’t realize it really. It was only on the following Monday that I called hospices in our area. Although I had to work, I really took my time, it was for granny. I called her every day and I realized that love had replaced a sense of duty. That was very powerful. She thanked me every day for my phone call which really touched me.”

Lara gulped before she went on. “Every day things became worse. Granny was now hardly eating anymore. She only drank those Nurishment drinks of which she only drank two a day and then she even stopped doing that. It really hurt to see how my once stout granny disappeared in front of our eyes. At first it was to be seen monthly, then weekly and in the end daily. She became weaker and weaker and her stoma bag really tortured her, more than ever. It leaked pretty often because she was too skinny and now she was even too weak to tidy up the mess. That was awful for my granny who always used to be so clean. Did you notice that she even at her age looked like a model?”

The nursing service was great but of course they didn’t have all the time in the world. The palliative team tried to soothe her pain but there’s no remedy against weakness. My granny who’d always been so proud of her independence became more and more dependent from other people. Well, and then she came to you. At first family and friends came to see her, then it was just Dad and his brother who were with her every day. It was so intensive. She enjoyed being with them so much, weak as she was, she even threatened to send them thunder and lightning, should they argue with each other. Then, it was just my dad who said his final goodbye and then his brother.  I think, granny was so happy that her sons were with her in such a loving way during her illness. She didn’t always have a good relationship to her other son either and dad suffered from ill-health himself, he had a chronic fatigue syndrome. I’m so happy that we’ve found to each other. It was like in a kitschy film: dad and his brother are getting on better again, both were there for their mum in a very loving way, and at the end there was the big happy ending, everybody was connected in deep love to each other. A kitschy film couldn’t have been any better.

Why, oh why didn’t we get a second chance, like with grandad and gran back then? Why did everything had to go so quickly? Only seven months.”

Lara sobbed heavily. The nurse gently stroked her back. She was silent for a while before she responded to Lara.

I got to know your grandmother as a very determined woman who, ill and weak as she was, knew very well what she wanted and what not. In doing so she always seemed very proud and she was very much present. Yes, everything went very quickly, but for me it shows that you, together as a family, did everything well, in a very beautiful way. You’ve found to each other and you said your goodbyes to your grandmother with lots of love. She could pass away in peace, and most important, in love. I don’t think that, weakened as she was, she would have wanted to go on living. And I think, you’ve given so much more to her than you can imagine.”

Lara smiled at her with tears in her eyes. Later, she went into her granny’s room again and now she could feel why she didn’t want to touch her: That wasn’t her granny anymore. That was only her physical shell. She reminded her of her grandad, that was what he looked like a week after his death. Her granny had left her ill body in no time. That was typical of her, she had always been a decisive person. Lara left her granny’s room feeling calm. She decided not to wait for her parents, it would take them at least another quarter of an hour. She would go tot hem later. Now she needed some time for herself.

After a day of relief – her granny was not in pain anymore and the tension of the last months had come to an end – she experienced some tough days. Her feelings had an intensity whose like she had never before felt.  Emptiness overcame her; her goal of the past months was away all of a sudden. On top of it she felt guilty: “Why didn’t she extend a hand to her granny earlier? She also didn’t really appreciate how generous she’d always been towards her: She only had €3 to 4 for food per day.” She was stricken by humbleness but also by shame and self-reproach. Lara didn’t know what was going on with her, her feelings were really intense. But then she remembered the nurse’s words and she felt calmer.

Intuitively, she started talking to her granny. The times when she bore grudges against her didn’t seem to be important anymore. Lara became aware that death turned the spotlight on what was really important in life. It was only their mutual, connecting love that was important. And Lara also felt her granny with an intensive love and warmth in her everyday life. She also became aware how her granny shone through her: She had her sense of beauty and like her, she had an eye for it. At the same time she noticed how the love, she had prayed for in August, had made her a more loving person. Consciously, she had practiced a body exercise to fill her chest with air in a way to widen her heart and thinking. She especially had done this exercise when she had felt that she had become narrow: physically and mentally. She was overwhelmed by what she felt inside her – it felt very good. She hoped very much that she would be able to keep going this, especially when everyday life would hit again.

Lara had learned something very important for her life: There is always something beautiful in sad times, no light without shadow. Yes, their relationship could have been better before but sometimes hurt feelings are too painful. Forgiving means healing for the one who forgives. But often the one who forgives is not free from guilt themselves. And therefore she was very grateful for the beautiful twist of fate that they all lived to see together. How sad would a goodbye have been on bad terms or even no goodbye at all?

With a new determination, she decided to study interior design. Life seemed easier and clearer now to her. with Easter ahead, Lara could feel that something new was arising. She looked forward to sharing her plans with her parents.

Abschied (Teil II) von Bettina Bonkas
2. Teil
Als Oma wieder im Krankenhaus lag, rief sie mich in England an.  Das hatte sie vorher nie gemacht. Sie teilte mir mit, dass die Ärzte herausgefunden hatten, woher ihre Rückenschmerzen kamen. Sie hatte Krebs in einer Rippe. Knochenkrebs. Seit diesem Tag war sie verändert. Sie war liebevoll, ich konnte das bereits am Telefon spüren und ich gewann sie total lieb. Ich beschloss, meine Zeit in England zu unterbrechen und in Deutschland zu jobben. Häufig ging ich Oma besuchen und unser Verhältnis wurde immer enger. Dann kam jene Woche, in der alles ganz schnell ging. Am Montag sagte ihr der Arzt, dass sie austherapiert sei, ein paar Tage später, am Donnerstag, hatten ihre Söhne zusammen mit Oma ein Gespräch mit ihm. Da teilte er ihnen mit, dass wir zügig nach einem Hospizplatz suchen sollten. Oma habe nur noch wenige Wochen zu leben.

Das war ein echter Schlag und irgendwie haben wir das gar nicht ganz richtig kapiert. Erst am darauffolgenden Montag telefonierte ich Hospize ab. Obwohl ich arbeiten musste, nahm ich mir viel Zeit dafür, das war ein Dienst für Oma. Ich telefonierte täglich mit Oma und mir wurde bewusst, dass ich es nicht mehr aus Pflichtbewusstsein machte, sondern aus Liebe. Sie bedankte sich jedes Mal für meinen Anruf. Das hat mich sehr berührt.“

Lara schluckte kurz, bevor sie weitersprach. „Jeden Tag ging es ein bisschen schlechter. Oma aß mittlerweile fast gar nichts mehr. Sie trank nur noch diese Fresenius Drinks, aber von diesen trank sie auch nur noch zwei am Tag und schließlich auch diese nicht mehr. Es tat sehr weh zu sehen, wie meine Oma, die immer eine Kräftige war, vor unseren Augen verschwand. Erst konnte man es monatlich sehen, dann wöchentlich und nun täglich. Sie wurde immer schwächer und ihr Stomabeutel quälte sie sehr. Er lief häufiger aus, denn sie war zu dünn geworden und jetzt auch noch zu schwach, die Schweinerei wegzumachen. Das war sehr schlimm für meine immer so saubere Oma. Haben Sie mal gesehen, Sie sah noch im Alter wie ein Model aus.“ Lara lächelte.

Der Pflegedienst war toll, aber sie hatten natürlich auch nicht unbegrenzt Zeit. Das Palliativteam versuchte ihre Schmerzen zu lindern, aber gegen Schwäche gibt es kein Mittel. Meine Oma, die immer so stolz auf ihre Selbstständigkeit war, wurde immer abhängiger. Na ja, und dann kam sie ja letzte Woche zu Ihnen. Papa und sein Bruder waren dann jeden Tag bei ihr. Es war so intensiv. Ich glaube, Oma war so glücklich, dass ihre Söhne sie während ihrer Krankheit so liebevoll begleiteten. Zum anderen Sohn war das Verhältnis auch nicht immer gut und Papa ist ja selbst angeschlagen mit seinem Erschöpfungssyndrom. In der letzten Woche waren es dann nur noch Oma und ihre Sohne. So schwach Oma war, sie hat sogar noch mit ihnen gescherzt und ihnen gedroht Blitz und Donner zu schicken, sollten sie miteinander streiten. Ich freue mich so sehr, dass wir zueinander gefunden haben. Es war wie in einem Kitschfilm: Papa und sein Bruder verstehen sich jetzt wieder besser, beide waren für ihre Mama voll da und zum Schluss gab es das große Happy End, alle waren in ganz tiefer Liebe miteinander verbunden. Es war so intensiv. Ein Kitschfilm  hätte nicht besser sein können.

Warum bekamen wir keine zweite Chance wie bei Opa oder Omi damals? Warum musste alles so schnell gehen? Nur sieben Monate!“

Lara schluchzte heftig. Die Schwester streichelte sanft ihren Rücken. Sie schwieg eine kleine Weile, bevor sie auf Laras Worte einging.

Ich habe Ihre Oma als eine sehr selbstbestimmte Frau kennengelernt, die selbst – schwerkrank wie sie war – genau wusste, was sie wollte und was nicht. Sie wirkte dabei immer sehr stolz und hatte Präsenz. Ja, es ging alles sehr schnell, aber das spricht für mich auch dafür, dass Sie als Familie alles ganz richtig gemacht haben. Sie haben zueinander gefunden und Ihre Oma mit viel Liebe verabschiedet. Sie konnte in Ruhe und, ganz wichtig, mit Liebe gehen. Ich glaube nicht, dass sie, geschwächt, wie sie war, hätte weiterleben wollen. Und ich glaube auch, dass Sie ihr viel mehr gegeben haben, als Sie es sich vorstellen können.“

Lara lächelte sie unter Tränen an. Sie ging später noch einmal in das Zimmer ihrer Oma und jetzt spürte sie, warum sie ihre Oma nicht hatte anfassen wollen: Das war ihre Oma nicht mehr. Das war nur noch ihre körperliche Hülle, wie bei ihrem Opa damals, als sie ihn eine Woche nach seinem  Tod nochmals gesehen hatte. Ihre Oma hatte ganz schnell ihren kranken Körper verlassen. Das war typisch für sie, entscheidungsfreudig war sie schon zu Lebezeiten. Ruhig verließ Lara das Zimmer ihrer Oma. Sie beschloss, nicht auf ihre Eltern zu warten, sie würden noch mindestens eine dreiviertel Stunde brauchen. Sie würde später zu ihnen nach Hause fahren. Jetzt brauchte sie Zeit für sich alleine.

Nach einem Tag der Erleichterung – ihre Oma litt keine Schmerzen mehr und die große Anspannung der letzten Monate hatte ein Ende gefunden – erlebte sie ein paar intensive Tage. Ihre Gefühle hatten eine fast nie gekannte Intensität. Leere erfüllte sie, das Ziel der letzten Monate war plötzlich weg. Außerdem überkamen sie Schuldgefühle: „Hätte sie Oma nicht viel früher die Hand reichen sollen? Sie hatte auch gar nicht richtig zu schätzen gewusst, wie Oma mit ihrer kleinen Rente ihr gegenüber immer wieder so großzügig war: Nur 3,– bis 4,– € hatte sie am Tag für Essen.“ Tiefe Demut überkam sie, aber auch Scham und Selbstvorwürfe. Lara wusste nicht, was mit ihr los war, ihre Gefühle waren so intensiv. Dann kamen ihr wieder die Worte der Schwester in den Sinn und sie wurde ruhiger.

Intuitiv begann sie, mit ihrer Oma zu sprechen. Die Zeit des Grolls schien nicht mehr wichtig zu sein. Lara wurde bewusst, dass der Tod einen klaren Blick auf das lenkte, was wirklich wichtig war im Leben. Was zählte, war nur noch die gegenseitige Liebe, die sie verband. Und Lara spürte ihre Oma mit einer intensiven Liebe und Wärme in ihrem Alltag. Ihr wurde auch bewusst, wie Oma durch sie hindurchschien: Sie hatte Omas Sinn und ihr Auge für das Schöne. Gleichzeitig nahm sie wahr, wie die Liebe, für die sie noch im August gebetet hatte, aus ihr einen liebevolleren Menschen gemacht hatte. Bewusst hatte sie auch immer wieder Körperübungen gemacht und ihren Brustbereich geweitet, insbesondere dann, wenn sie gespürt hatte, dass sie sich eng machte: körperlich als auch geistig. Sie war überwältigt von dem, was sie in ihrem Inneren spürte – es fühlte sich richtig gut an. Sie hoffte sehr, dass sie sich das bewahren könnte, auch im Alltag.

Lara hatte Wichtiges für ihr Leben gelernt: Bei allem Traurigen ist immer auch etwas Schönes dabei, ohne Schatten kein Licht. Ja, ihr Verhältnis hätte schon früher besser sein können, aber manche Verletzungen sind groß. Verzeihen zu können ist wohltuend für den, der verzeiht. Aber auch der Verzeihende ist meistens nicht frei von Schuld. Und so war sie sehr dankbar für die wunderschöne Wendung und dafür, dass sie das alles noch erleben durften, alle zusammen. Wie traurig wäre ein Abschied im Bösen oder gar kein Abschied gewesen?

Mit einer neuen Entschlossenheit entschied sie sich, Innenarchitektur zu studieren. Das Leben erschien ihr jetzt viel einfacher und klarer. Passend zu Ostern wurde Lara bewusst, wie etwas Neues entstand. Sie freute sich schon darauf, ihre Pläne mit ihren  Eltern zu besprechen.

 

Auf Englisch & Deutsch – The power of Love I

Goodbye (part I) by Bettina Bonkas
1st part

Lara would always remember that moment when the phone rang. It was 6.10 on a Saturday morning. It was 10th March. She had been wide awake before which was rather unusual for her but no way would she get up that early on a Saturday, staying in bed was all she wanted to do. When the phone call came in, she knew straight away what had happened.

She dressed and left her house quickly. The drive to the hospice was a blur. All Lara could remember was that the weather kept swapping between sunshine and rain as if it could not make up its mind.

When she entered the building she could feel the silence which she had appreciated so much the week before. Immediately, a nurse came towards her and together they went to her granny’s bedroom. Lara felt very grateful for her presence. When she went to her granny’s bed, the nurse disappeared. Lara didn’t notice it, for her time had come to a standstill. On her bed she saw the purple petals, spread around her. On her bedside table there was a purple rose in a vase, next to a candle and an angel.

I’m sure you really like it, Granny. You always had a taste of beauty in life. Your beautifully decorated tables were larger-than-life and your small flat was a dream. All the things here go so nicely with you.” Lara smiled to herself.

It was only then when she dared look at her granny, something she’d avoided before and she was shocked: She was so emaciated that it hurt, she was just bones. Her face clearly showed how much the cancer had drained her. She looked so different from grandad back when he died. His death had come as a surprise. Well, not completely really, not when you’re 91 but he hadn’t been marked by illness and so he looked even a bit youthful at his death. A surprised expression had been on his face: “That’s death?”, He seemed to say. “It’s not that bad, really.”

Lara had to compose herself. She looked away, took a chair and sat next to her granny. She had to force herself to touch her. Strange. It had felt so natural with grandad, to touch him and to even kiss him. It was so different with her granny now. She went into a dialogue with her and let her tears run.

You’ve made it Granny. No more pain. You’re with your brother, your sister and the rest of your family now. I’m sure they’d been waiting for you up there. But we’re missing you. Why did you have to go so early? Why didn’t we get another chance, like with grandad and gran?” Lara’s voice broke off.

On impulse, she fled the room. Tears running down her face. Outside, she met a nurse.

Would you like some tea?”

Lara nodded in silence and a bit later they sat together in the cosy lounge of the hospice. Already last week, had she admired the fresh colours of green and purple in the building which went very nicely with the warm brown of the parquet flooring. Little details were lovingly spread all over the place. She experienced the whole atmosphere as tremendously pleasant and soothing. The nurses handled death in a beautifully natural way. Only last week two dogs of one of the nurses came into her granny’s bedroom, whose bedroom door had always been open. Just not now, of course. Now everything was different.

It was only last year that we got closer again and now she’s dead.”

Lara’s voice broke off. The nurse stroked her hand without speaking, sensing that Lara wasn’t finished yet.

You know, granny wasn’t always easy. But I guess, the same is true of us. She had hurt my dad a lot. Before that our relationship was good but then granny went too far. As a result we weren’t on speaking terms for almost a year. When she celebrated her 80th birthday in February last year we went to see her. I think granny was really happy that we’d come. She didn’t say anything but the look on her face showed. From then on we met again and again and then, only in August, she was diagnosed with cancer. That wasn’t easy really. Our relationship was OK but not brilliant at the time, still a bit brittle. I prayed to God to help me support granny in a loving way. Not an easy situation, I didn’t want to fake my love. I called her from England, I was there at the time, and she was super happy about my phone call. I was pretty optimistic that everything would go well. I mean, my gran had bowel and colon cancer too, some years ago now, and and she got better.

In the meantime, when I was in Germany, I went to see granny. That wasn’t so easy in the beginning as ranted at the nurses in hospital. And I got agitated too. I just couldn’t get out of my mind what she’d done to dad and she’d got me involved too. At the same time I really wanted to help her. She definitely needed our help. So I tried whatever was possible when I was in Germany but I didn’t bust a gut, I was still too hurt.” Lara fell silent.

 

Abschied (Teil I) von Bettina Bonkas
1. Teil

Lara erinnerte sich genau daran, als der Anruf kam. Es war um 6:10 Uhr an einem Samstagmorgen. Sie war zuvor schon glockenhell wach, was höchst selten bei ihr vorkam. So früh aufzustehen war aber keine Option, nicht an einem Samstag. Als das Telefon klingelte, wusste sie sofort, was passiert war.

Die Sonne schien, als sie später zu ihrer Oma fuhr. Zwischendurch regnete es immer wieder. Das Wetter schien sich nicht entscheiden zu können: Sonne oder Regen. Genauso sah es in ihrem Inneren aus.

Sie spürte wieder diese Stille, als sie das Gebäude betrat. Diese hatte sie schon eine Woche zuvor als sehr angenehm empfunden. Sogleich kam eine Schwester auf sie zu. Wie selbstverständlich begleitete sie sie zum Zimmer ihrer Oma. Lara empfand ihre Begleitung als ungemein wohltuend. Als sie an das Bett ihrer Oma trat, entfernte sich die Schwester unauffällig. Lara bemerkte es nicht, für sie stand die Zeit still. Auf dem Bett ihrer Oma sah sie die wunderschöne Dekoration: violette Rosenblätter lagen verteilt um sie herum. Auf dem Nachtischchen stand eine violettfarbene Rose in einer Blumenvase, daneben eine Kerze und ein Engel.

Na, Oma, das gefällt dir bestimmt richtig gut. Du hattest ja schon zu Lebzeiten einen Blick für das Schöne und immer alles so schön gemacht. Deine gedeckten Tische waren einfach legendär und deine Wohnung ein echtes, kleines Schmuckstück. Das hier alles passt so gut zu dir.“ Lara lächelte.

Dann erst fiel ihr Blick auf ihre tote Oma, etwas, das sie zuvor vermieden hatte, und sie erschrak: Wie abgemagert sie war. Ihrem Gesicht war deutlich anzusehen, wie sehr der Krebs an ihr gezerrt hatte. Sie sah so ganz anders aus als Opa damals. Sein Tod war unverhofft gekommen. Nun gut,  mit 91 Jahren stirbt man nicht ganz unverhofft, aber er war vorher nicht durch Krankheit gezeichnet gewesen und so sah er in seinem Tod fast ein wenig jugendlich aus. Ein erstaunter Ausdruck hatte auf seinem Gesicht gelegen: „Ach, das ist der Tod? Der ist ja gar nicht so schlimm“, schien er auszustrahlen.

Lara musste sich fassen. Sie wandte ihren Blick ab, nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu ihrer Oma. Sie musste sich zwingen, sie zu berühren. Komisch, bei Opa war es so natürlich für sie gewesen, ihn zu streicheln und ihn sogar zu küssen. So anders war es jetzt bei ihrer Oma. Sie ging ins Zwiegespräch mit ihr und ließ ihre Tränen frei laufen.

Du hast es geschafft, Oma. Kein Leiden mehr. Jetzt bist du bei deinem Bruder, deiner Schwester und beim Rest deiner Familie. Ich bin mir sicher, da oben haben sie schon auf dich gewartet. Aber du fehlst uns so. Warum musste nur alles so schnell gehen? Warum bekamen wir keine zweite Chance wie bei Opa und Omi damals?“ Laras Stimme versagte.

Einem inneren Impuls folgend verließ sie das Zimmer. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Draußen traf sie auf eine Schwester.

Möchten Sie einen Kaffee trinken?“

Lara nickte stumm und im nächsten Moment saß sie mit der Schwester zusammen im gemütlichen Wohnzimmer des Hospizes. Schon letzte Woche waren ihr die frischen Farben, grün und violett, im Gebäude aufgefallen, die ausgesprochen gut zum warmen Braun des Holzbodens passten. Überall waren liebevolle kleine Details verteilt. Sie empfand die ganze Atmosphäre als ungemein wohltuend und beruhigend. Die Schwestern und Pfleger gingen mit dem Tod auf bewundernswert natürliche Weise um. Noch letzte Woche kamen die beiden Hunde einer Schwester in das Zimmer ihrer Oma gelaufen, deren Zimmertür immer offen stand. Nur jetzt natürlich nicht. Jetzt war alles anders.

Erst im letzten Jahr hatten wir uns wieder angenähert und jetzt ist tot.“

Laras Stimme versagte. Die Schwester streichelte wortlos ihre Hand. Sie spürte, dass Lara noch nicht fertig war.

Wissen Sie, Oma war nicht immer einfach. Aber wir vermutlich auch nicht. Sie hat meinen Papa sehr verletzt. Davor war unser Verhältnis gut, aber dann war Oma zu weit gegangen, da war dann erst einmal Funkstille. Als sie letztes Jahr im  Februar ihren 80sten feierte, gingen wir hin. Ich glaube, Oma hat sich total gefreut. Sie hat nichts gesagt, aber sie hatte so einen Blick drauf, der hat alles gesagt. Danach trafen wir uns immer wieder und dann, im August schon, kam die Diagnose Krebs. Das war erst einmal nicht einfach. So toll war unser Verhältnis zu der Zeit noch nicht. Ich habe damals gebetet, dass Gott mir hilft, Oma liebevoll zu unterstützen. Das fiel mir nicht leicht, ich wollte ihr schließlich keine Liebe vorlügen. Ich rief sie aus England an, ich lebte dort damals, und sie hat sich total gefreut. Ich war dann ganz optimistisch, dass alles gut gehen würde. Meine andere Oma hatte einige Jahre zuvor auch Darmkrebs und da ging alles gut.

Zwischendurch war ich immer wieder in Deutschland. Wenn ich zu Hause war, ging ich natürlich zu Oma. Das war am Anfang nicht so einfach, denn Oma schimpfte ganz schön auf die Pflegekräfte. Und ich habe mich irgendwie reingesteigert. Sie hatte Papa ganz schön weggetan und mich da mit reingezogen. Das konnte ich nicht ausradieren, gleichzeitig wollte ich ihr aber auch helfen. Sie brauchte jetzt echt unsere Hilfe. So versuchte ich dann zu machen, was möglich war, wenn ich in Deutschland war, aber ein Bein habe ich mir nicht ausgerissen, dazu war ich noch zu sehr verletzt.“ Lara schwieg.

Februar 2018: Zeit für eine Kurzgeschichte …

… auf Englisch & Deutsch. Live your talents;-)

Peter Walker‘s talents by Bettina Bonkas

We’re going to file an appeal. This moron of a judge has flatly refused our case but she’s picked the wrong person to tangle with. We’ll show them that we’re right. Damn it, such people should be dumped, they’re a disgrace for their profession. From you,” I expect a top preparation. Any questions, you come to me. I want to be informed about every single detail. So, that’s it from my part. Anything from you?”

Dr. Peter Walker had a prestigious law firm in Frankfurt. He lived for his work and it was not without reason that he was one of the best in his profession. He took defeat personally and he would take care that this judge would regret her wrong decision.

Dr. Peter Walker was an imposing presence: 6,2 feet tall with a small belly of bon vivant but otherwise lean. He was always well dressed with dark tailor-made suits, discreetly patterned shirts with a white or bright blue background, silk ties and handmade, Italian shoes. He had a deep and full voice which he specifically used in court and stressed with skillful pauses. It was for his imposing presence as well as for his professional expertise that he enjoyed wide acceptance from his team and his contemporaries. His quick comprehension and intelligence made him quickly impatient, and now too as he was looking impatiently at his team. His restlessness also had another reason: Today was Wednesday and every Wednesday evening he had an appointment with Nadine and those appointments were sacred to him.

Inwardly Peter was relieved when no questions from his team came up. He dismissed his team which left the adjacent conference room to his office. He was busy with a new case when he finally left the building at 18.25 sharp.

He steered his Porsche through the Frankfurt traffic. Another 10 minutes then he would be with Nadine. Dr. Peter Walker parked his car directly in front of her house and got changed in his car. At 7pm sharp he rang her door bell and only a few minutes later they had already got started. “Yes, you’re already very good. Try to be a bit more consistent, don’t be so tense. Yeah, that’s how it goes.”

They were sitting opposite each other in comfortable chairs. Peter was happy, his self-knitted scarf thrown loosely around his neck, in a jumpsuit knitted by Nadine. On his head he was wearing a knitted hat with flippy pompons. Both were sitting opposite each other, each concentrating on their knitting. Peter enjoyed this full concentration on the pot holders he was knitting. They felt so good in his hands and he loved the sound of the clacking needles.

Are you ready, Peter?”, Nadine stopped his train of thoughts. He anticipated what was about to come.

Both sat upright on their chairs and were still for a moment before they began at her command to knit simultaneously. Simultaneous knitting required his full attention but he loved the monotone noise of the knitting needles and soon afterwards there were only the clacking knitting needles, Nadine, the room and nothing else. The pompons of his hat bobbed in strict time and Peter felt a pleasant peace of mind.

Still with this feeling he was sitting in his Porsche when he was driving home. The radio was playing in the background. He had changed into his business outfit but inwards he was feeling more attached with his knitting. “… the police have informed that a judge was found with a big knitting needle in her forehead. For the knitters out there, it was 7mm needle. Luckily the judge survived the attack but has suffered significant brain damage. It appears it is more of a case of if rather than when she will return to the courtroom. So, now to the traffic news. …“

Peter switched off the radio. Terrible, when people were forced to take such drastic measures. He was glad that they only dealt with business cases in his law firm.

Live your dreams, no matter how weird they seem to be, be yourself and make time to do what you really want to do – make time for self care. Just make sure that other people don’t suffer😉.

 

Die Talente des Peter Uhrig von Bettina Bonkas

Wir gehen in Revision. Diese Deppenrichterin hat unseren Fall abgeschmettert, aber da hat sie sich mit dem Falschen angelegt. Wir werden da nochmal reingehen und denen zeigen, dass wir recht haben. Man, solche Leute gehören abgeschossen, die sind eine Schande für ihren Berufsstand. „Von euch“, er wandte sich dabei an sein Team  „erwarte ich eine top Vorbereitung. Bei Fragen, sofort an mich. Ich möchte über jedes einzelne Detail informiert werden. So, das war’s von meiner Seite. Gibt es von euch noch etwas?“

Dr. Peter Uhrig hatte eine angesehene Anwaltskanzlei in Frankfurt. Er lebte für seine Arbeit, er gehörte nicht umsonst zu einem der Besten. Eine Niederlage nahm er persönlich und persönlich würde er dafür sorgen, dass diese Richterin ihre Fehlentscheidung bereuen würde.

Dr. Peter Uhrig war eine imposante Erscheinung: 1,89 m groß mit einem kleinen Genießerbauch, ansonsten aber gut durchtrainiert. Er war stets sehr gut gekleidet mit dunklen Maßanzügen, diskret gemusterten Hemden mit weißem oder hellblauem Untergrund, Seidenkrawatten und handgemachten, italienischen Schuhen. Er hatte eine tiefe, volle Stimme, die er vor Gericht gerne gezielt einsetzte und mit kunstvollen Pausen noch unterstrich. Es war sowohl wegen seiner imposanten Erscheinung, aber vor allem wegen seiner fachlichen Kompetenz, dass er die volle Anerkennung seines Teams und seiner Anwaltskollegen genoss. Seine schnelle Auffassungsgabe und seine Intelligenz ließen ihn schnell ungeduldig werden, so auch jetzt, als er ungeduldig ins Team schaute. Seine Unruhe hatte aber auch einen anderen Grund: Heute war wieder Mittwoch und jeden Mittwochabend hatte er einen Termin bei Nadine und diese Termine waren ihm hoch und heilig.

Innerlich war Peter erleichtert, als keine Fragen vom Team kamen. Nach außen hin gab er den coolen Anwalt und als solcher entließ er sein Team, das den angrenzenden Konferenzraum zu seinem Büro verließ. Er selbst beschäftigte sich noch mit einem neuen Fall, bevor er pünktlich um 18:25 Uhr die Kanzlei verließ.

Er steuerte seinen Porsche durch den Frankfurter Straßenverkehr. Noch 10 Minuten, dann würde er bei Nadine sein. Dr. Peter Uhrig parkte seinen Porsche direkt vor ihrem Haus und zog sich im Auto um. Pünktlich um 19:00 Uhr klingelte er an ihrer Wohnungstür. Einige Minuten später saßen sie sich in ihren gemütlichen Lounge Chairs gegenüber und waren schon mitten bei der Sache. „Ja, das machst du schon ziemlich gut.“ Nadine lobte ihn. „Versuche es nur noch ein bisschen gleichmäßiger, nicht ganz so angespannt. Ja genau, so ist es sehr gut.“

Peter saß glücklich, seinen selbst gestrickten Schal locker um den Hals geworfen, in dem selbst gestrickten Jumpsuit von Nadine. Auf seinem Kopf trug er eine Strickmütze mit wippenden Bommeln. Beide saßen sich gegenüber, jeder auf sein Strickzeug konzentriert. Peter genoss diese volle Konzentration auf die Topflappen, die er gerade strickte. Sie fühlten sich so gut an in seinen Händen und er liebte das Geräusch der klappernden Stricknadeln. „Bist du bereit, Peter?“, riss ihn Nadine aus seinen Gedanken. Er wusste, was jetzt kommen würde und er wurde schon ganz aufgeregt.

Beide setzten sich gerade auf ihre Stühle und waren einen Moment lang still, bevor sie auf Nadines Kommando hin begannen, simultan zu stricken. Simultanes Stricken bedurfte Peters voller Aufmerksamkeit und er war hoch konzentriert, aber er liebte das gleichmäßige Geräusch der Stricknadeln und bald darauf gab es nur noch die klappernden Stricknadeln, Nadine, den Raum und sonst nichts. Die Bommeln seiner Strickmütze wippten im Takt und Peter spürte eine wohltuende innere Ruhe und Geborgenheit.

Mit diesem Gefühl noch saß er in seinem Porsche, als er nach Hause fuhr. Das Radio lief im Hintergrund. Er hatte wieder in sein Business Outfit gewechselt, aber innerlich fühlte er sich mehr beim Stricken. „… wie die Polizei mitteilte, wurde eine Richterin mit einer sehr großen Stricknadel in der Stirn gefunden. Für Strickfans unter Ihnen: Die Nadel hatte eine Dicke von 7 mm. Die Richterin wird glücklicherweise den Angriff überleben, aber ihre linke und rechte Hemisphäre im Gehirn werden durchtrennt bleiben. Es wird vielleicht problematisch werden, ihren Beruf zukünftig auszuüben, aber zum Glück gibt es noch andere gute Berufe. So, und damit kommen wir zum Verkehrsfunk …“

Peter schaltete das Radio ab. Schrecklich, wenn Menschen zu solch drastischen Maßnahmen greifen mussten. Er war froh, dass sie in seiner Kanzlei ausschließlich Wirtschaftsfälle behandelten.

Lebt eure Träume, egal, wie schräg sie sind, seid ihr selbst und tut das, was euch guttut, aber passt auf, dass andere dabei nicht zu Schaden kommen😉.

Januar 2018: Short Story: Man muss nur wollen – Just do it

Mit den besten Wünschen fürs neue Jahr

Man muss nur wollen von Bettina Bonkas

Au!“, schrie Jan-Oliver. „Das hat wehgetan!“

Sind Sie ein Mädchen oder ein Mann?“, fragte ihn Mariucca.

Das hat doch damit nichts zu tun. Sie sind manchmal einfach zu grob.“

Das haben Sie beim letzten Mal auch gesagt und es hat gutgetan Ihnen. Sie werden sehen, Sie werden aufstehen und sich fühlen wie neu“, bemerkte Mariucca ungerührt und machte unverdrossen weiter. „Außerdem, es ist nicht meine Schuld, wenn Sie sind so verspannt. Sie müssen nicht so viel arbeiten. Sie arbeiten, sind verspannt, arbeiten, sind verspannt und zwischendurch ich Sie massiere und versuche zu helfen, was zu helfen geht.“

Jan-Oliver seufzte. Mariucca hatte recht. Beim letzten Mal tat es ihm auch weh, nach ihrer Massage fühlte er sich aber deutlich besser. Sie würde wohl nie verstehen, dass ein verantwortungsvoller Job auch einen hohen Einsatz erforderlich machte. „Ich weiß, Sie jetzt denken, dass ich nicht verstehe, warum Sie so viel arbeiten.“ Jan-Oliver schaute sie verblüfft an und wollte etwas erwidern, aber Mariucca war schon am Weiterreden. „Machen Sie wenigstens immer wieder ein paar Übungen, um zu strecken den Rücken und Brust weit machen.“ Und sie machte ihm ein paar Übungen vor. „Das wird Ihren Körper entspannen und Sie auch. Denken Sie daran!“ Und mit diesen Worten stapfte sie davon.

Nach der Massage ging Jan-Oliver in sein Arbeitszimmer, um weiterzuarbeiten. Er hörte im Hintergrund, wie Mariucca in der Küche aufräumte, aber bald war er so vertieft in seine Arbeit, dass er sie vergessen hatte. Tatsächlich aber dachte er an ihre Worte und machte zwischendurch immer wieder ein paar Übungen, um seine Rücken- und Schulterpartie zu entspannen.

Ihm fiel erst gar nicht auf, dass er Mariucca nicht mehr hörte, eine Weile schon nicht mehr, wie ihm bewusst wurde. Er rief wiederholt ihren Namen und schaute in der Wohnung nach ihr. Er und Kerstin bewohnten die beiden oberen Etagen einer Penthouse-Wohnung direkt am Westhafen in Frankfurt. 150 qm besaßen sie und zwei große Balkons, einen zur Südseite, den anderen zum Westen. Sie hatten auf ihren Balkons große Blumenkübel und gemütliche Lounge Sitzgruppen. Vielleicht war sie dort zum Saubermachen. Aber auch dort konnte Jan-Oliver sie nicht finden, was nicht wirklich verwunderlich war, es war Winter. In der Küche sah er schließlich ihre Tasche. Komisch! Das war doch gar nicht ihre Art, irgendwo stillschweigend in der Wohnung zu reinigen. Entweder sang sie vor sich hin oder war am Telefonieren mit Plug-ins. Jan-Oliver konnte sich seine Unruhe auch nicht erklären, aber ihre Abwesenheit verunsicherte ihn. Er wollte sie gerade auf ihrem Handy anrufen, als die Lifttür zur Wohnung aufging und Mariucca mit einem schweren Karton hineinkam.

Helfen Sie mir!“.

Schnell nahm ihr Jan-Oliver den schweren Karton ab. „Was haben Sie denn da hochgetragen?“ Er war erstaunt.

Mariucca strahlte übers ganze Gesicht. „Das habe ich gefunden im Keller. Es ist eine elektrische Eisenbahn. Unten Sie haben eine riesengroße Platte mit Gleisen und Landschaft. Ich habe einen Teil hochgetragen.“

Jan-Oliver staunte: seine Eisenbahn. Wie lange schon hatte er schon nicht mehr damit gespielt. Aber dann fielen ihm wieder Kerstins Worte ein. „Das ist nett, Mariucca, aber Kerstin meint, dass wir dafür keinen Platz haben. Ich solle sie lieber einem Kind schenken, das mehr damit anfangen kann, ich sei schon zu alt dafür.“

Papalapap. Für eine Eisenbahn man nie ist zu alt. Und wenn Sie wollen die Eisenbahn, dann Sie mit den Fingern auf Tisch hauen müssen.“

Mit der Hand auf den Tisch hauen“, verbesserte sie Jan-Oliver automatisch. Sie schaute ihn nur ungerührt an.

Wenn man etwas möchte im Leben, man muss kämpfen dafür. Und die Eisenbahn Ihnen würde guttun. Sie sind viel zu ernst, Sie brauchen mehr vom Kind. Mehr Spielen ist guter Vorsatz für Sie fürs nächste Jahr.“

Beim Anblick der Eisenbahn bemerkte Jan-Oliver sofort, wie der kleine Junge in ihm zum Vorschein kam. Er hatte große Lust, die Eisenbahn auszupacken, Landschaften zu bauen und die Bahn durchfahren zu lassen. Schon als Junge hatte er viel an seiner Eisenbahn gebaut. Wenn sich seine Eltern stritten, ließ er seine Bahn fahren und konnte bei dem gleichförmigen Fahrgeräusch völlig abschalten. Er spürte, wie er zunehmend aufgeregter wurde und immer stärker die Lust aufkam, wieder seine Bahn zu aktivieren. Aber Kerstin würde gar nicht begeistert sein. Das wäre dann kein Stehrümchen, sondern ein ausgewachsener Stehrummer.

Mariucca schien seinen inneren Kampf zu bemerken. Es war manchmal richtig unheimlich, was sie alles wahrnahm. „Wo ist Frau Hagebeck?“

Kerstin ist in China. Sie wird am Freitag wieder zurückkommen.“ Kerstin war viel auf Geschäftsreisen, das brachte ihr neuer Job mit sich. Jan-Oliver war nicht glücklich darüber, aber er wollte ihrer Karriere nicht im Weg stehen, er wusste wie wichtig ihre Geschäftsreisen dafür waren. Ihm war sein Job ja auch wichtig und wenn er etwas Dringendes fertigstellen musste und keine Zeit hatte, war es Kerstin, die seine Eltern besuchte.

Dann bauen Sie auf bis dahin die Bahn und sehen Sie, wie gut sie Ihnen tut. Das kann ich jetzt schon sehen. Meine Mutter hat immer gesagt: Sei gut zu Kind in dir. Wenn Frau Hagebeck zurückkommt, Sie sind Mann im Haus, haben an Hosen und sagen: Die Bahn bleibt hier. Oben in Wohnung! So, jetzt habe ich gemacht Überstunden. Das macht 50,– € für heute.“ Jan-Oliver gab ihr das Geld, verabschiedete sich von Mariucca und setzte sich zu seiner Bahn.

Ach, bei Mariucca hörte sich alles so einfach an. Aber vielleicht war es das auch? Spontan holte er nach und nach seine Eisenbahn aus dem Keller, baute sie bis tief in die Nacht auf und saß schließlich, nach getaner Arbeit, erschöpft, aber hoch zufrieden mit einem Glas Whiskey in seinem Charles and Ray Eames Lounge Chair vor seiner Eisenbahn. Er hatte nur die Beleuchtung von der Bahn an, dazu lief Queen mit „I was born to love you“ und seine Bahn schnurrte zufrieden auf ihren Gleisen. „… I was born to take care of you, every single day …“. (Ich wurde geboren, auf dich aufzupassen, jeden einzelnen Tag …)

I was born to love you
with every single beat of my heart
yes, I was born to take care of you
every single day…
I was born to love you

Ich wurde geboren, dich zu lieben
mit jedem einzelnen Herzschlag
ja, ich wurde geboren, auf dich aufzupassen
jeden einzelnen Tag …
Ich wurde geboren, dich zu lieben
 

Ein zufriedenes und gesundes neues Jahr. Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit Freude,  Leichtigkeit, Offenheit und Vertrauen sowie Ihren persönlichen Wünschen durchs neue Jahr gehen. Und pflegen Sie Ihr inneres Kind:-).

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Just do it by Bettina Bonkas

Ouch!”, Jan-Oliver cried out. “That hurt!”

Are you a girl or a man?” Mariucca asked him.

That’s got nothing to do with it. You’re sometimes simply too rough“, he retorted.

You already said so last time and it did you good. You will see, you will get up and feel like new”, Mariucca remarked unaffected by his response. “And besides, it is not my fault that you’re so tense. You should not work so much. You work, you’re tense, you work, you’re tense and in between I give you massage and try to help, what can be helped.”

Jan-Oliver sighed. Mariucca was right. Last time it hurt him but after her massage he felt clearly better. But she would never understand that a responsible job made a lot of effort necessary.

I know, you now think that I don’t understand why you work so much.” Jan-Oliver was dumbfounded and was about to say something but Mariucca was already talking. “Make some exercises to stretch your back and fill your chest with air and widen your stomach.” And she showed him some exercises. “That will relax your body and you too. Remember my words!” And with that she trudged away.

After the massage Jan-Oliver went into his study to go on working. He could hear her in the background, she was tidying up in the kitchen but soon he was completely absorbed in his work so that he forgot about her. In fact he remembered her words and he made some exercises in between to relax his back and his shoulders.

At first he didn’t notice that he didn’t hear Mariucca anymore, for quite some time as he realized. He called out her name repeatedly and went to look for her in his flat. He and Kerstin lived in the two top floors of a penthouse flat directly in the Westhafen in Frankfurt. They owned 150 sqm and had two big balconies, one facing the south side, the other one the west side with big flower pots and comfortable lounge areas. Maybe she was there to do some cleaning. But Jan-Oliver couldn’t find her there which wasn’t really surprising as it was winter. In the kitchen he finally found her bag. Strange! That wasn’t like her cleaning somewhere in the flat and being completely silent. She was either singing or on the phone using her plug-ins. Jan-Oliver couldn’t explain his anxiety but her absence somehow made him unsettled a bit. He was going to call her on her mobile when the lift door to the flat opened and Mariucca came in carrying a heavy cardboard box.

Help me!”

Quickly Jan-Oliver took the heavy box from her. “What have you carried up here?”

Mariucca on the other hand was all smiles. “I’ve found that in the basement. It is an electric railway. Down there you have a huge board with tracks and landscape. I’ve carried some parts upstairs.”

Jan-Oliver marveled: his electric railway. How long had it been since he played with it? But then he remembered Kerstin’s words.  “That’s very kind of you, Mariucca, but Kerstin thinks that we don’t have enough room up here. I should rather give it to a child who has better use of it. I’m too old for it, so she says.”

Humbug. You’re never too old for a train. And if you want train then you have to bang your fingers on the table.”

You bang your fist on the table”, Jan-Oliver corrected her automatically. She just looked at him unaffectedly.

If you want something in your life then you must fight for it. And the train would do you good. You’re too serious, you need more of a child. More playtime is good resolution for you for next year.”

At the sight of the train Jan-Oliver realised immediately how the little boy inside him came up again. He absolutely felt like unpacking the train, building up landscapes and let the train go through them. As a boy he used to build a lot around his train. When his parents had an argument he would let his train drive and with the repetitive sound of the train he could completely switch off. He noticed how he was getting more and more excited and how he was in the mood to activate his train. Kerstin would be far from being enthusiastic about it. That wouldn’t be a small dust catcher but a massive one.

Mariucca seemed to notice his inner fight. Sometimes it was really scary what she all observed. “Where’s Ms Hagebeck?”

Kerstin’s in China. She’ll be back on Friday.“ Kerstin was often on a business trip, that was part of her job. Jan-Oliver wasn’t happy about it but he didn’t want to stand in her way, he knew how important the business trips were for her career. His job was important to him too and when he had to finish something important and had no time, it was Kerstin who visited his parents.

You build up your train and you will see how good it does you. I can already see that. My mother has always said: Look after the child inside you. When Ms Hagebeck comes back, you be the man of the house, wear the breeches and tell Ms Hagebek: The train will stay here! So, I’ve worked overtime now. That makes €50,00 for today.” Jan-Oliver paid her, said good-bye to Mariucca and sat down beside his train.

It all sounded so easy with Mariucca. But maybe it was easy? Spontaneously, step by step, he got his train out of the basement, set it up until late in the night and finally, after all work was done, he sat exhausted but highly pleased with himself and a glass of whiskey in his Charles and Ray Eames Lounge chair in front of his electric train. It was only the light of the train on, in the background Queen with “I was born to love you” was to be heard and the train purred happily on its tracks. “… I was born to take care of you, every single day …”.

I was born to love you
with every single beat of my heart
yes, I was born to take care of you
every single day…
I was born to love you

Have a happy and healthy New Year. I wish you that you go with joy, lightness, openness and faith through the New Year together with your own personal wishes. And look after the child inside you :-).

Dezember 2017: Eine weihnachtliche Geschichte

Foto: Leonard Bonkas

Das Licht von Bettina Bonkas – auf Deutsch

Angespannt saß Steph vor dem Computer. Schnell noch die letzten Eingaben, bevor sie zur Bahn hetzen würde. Sie war schon wieder richtig spät dran, aber diesen einen Satz musste sie noch unbedingt fertig tippen. Perfekt! Jetzt noch speichern und dann würde sie den ganzen Weg zur Bahn joggen. Nicht gerade das, worauf sie jetzt Lust hatte, aber wie sagte ihre beste Freundin Maja immer so schön: „Du musst mehr Sport treiben, meine Süße!“ 10 Minuten zur Bahn joggen kam Sportmachen gleich, das musste genügen.

Steph wechselte schnell in ihre Winterschuhe, schnappte sich ihre Tasche und rannte zur S-Bahn. Diese kam schon eingefahren, als sie zum Bahnsteig kam. Schnell noch die Treppen hoch sprinten und rein in die Bahn. Sie quetschte sich zu den Massen von Bahnreisenden, aber das war ihr egal, Hauptsache, sie hatte den Zug bekommen. Ansonsten hätte sie eine dreiviertel Stunde auf ihren Anschlusszug warten müssen, nicht gerade ein Vergnügen bei der Kälte und auf dem zugigen Bahnsteig. Die Bahn fuhr an, als ihr einfiel, dass sie ja ihre Mutter besuchen wollte. Dazu hätte sie in eine andere Bahn einsteigen müssen. Ständig diese blöde Hetzerei, da gingen immer wieder Dinge unter. Schöner Mist! Der Besuch bei ihrer Mutter war schon längst überfällig.

Sie war eine reizende ältere Dame, die bewundernswert ihren Alltag mit 87 Jahren stemmte. Von ihren Freunden hörte sie da ganz andere Mütter-Storys: von Erwartungshaltungen, indirekten Vorwürfen – bloß nicht Dinge direkt beim Namen nennen, Beleidigtsein und weiß der Geier noch was alles. Grauselig! Steph war froh um ihre Mama. Klar stritten die beiden sich auch, aber auf ihre Mutter ließ Steph nichts kommen. Vielleicht hatten die beiden auch so eine enge Beziehung, weil ihr Vater die Familie schon früh verlassen hatte.

Am Anfang, als Steph noch klein war, hatte sie ihn immer wieder gesehen und er hatte viel Zeit mit ihr verbracht, aber schließlich hatte er eine neue Familie gegründet und seine Tochter aus der ersten Beziehung nach und nach aus seinem Leben verbannt. Das tat richtig weh, verdammt weh sogar, aber sie hatte gelernt, damit zu leben und heute vermisste sie ihren Vater nicht mehr. Hey, warum hatte sie jetzt solche blöden Gedanken? Ach stimmt, Auslöser war die falsche Bahn. Aber vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass sie jetzt nach Hause fuhr, denn es fing an zu schneien und da kam der Bahnverkehr erfahrungsgemäß sowieso zum Erliegen. Sie würde ihre Mama später anrufen und einen anderen Tag vereinbaren.

Noch zwei Haltestelle, dann konnte sie endlich aussteigen und in ihre Bahn nach Hause wechseln. Diese würde zum Glück leerer sein. An der Haltestelle wurde Steph zusammen mit den anderen Reisenden aus der Bahn gespült und zusammen mit den anderen Reisenden lief sie die Treppe hinunter. Sie lief die Unterführung entlang und die Treppe wieder hoch zum anderen Bahngleis. In 15 Minuten würde ihre Bahn kommen, noch genügend Zeit, sich schnell einen wärmenden Cappuccino zu holen. Sie ließ sich ihren Coffee to go Becher befüllen und lief zurück zum Bahnsteig. Ihr Zug fuhr mit 7 Minuten Verspätung ein. Dankbar ließ sich Steph in einen Sitz fallen. Eigentlich hätte sie alles darum gegeben, jetzt einfach nur ihre Augen zu schließen und zu dösen, aber sie musste unbedingt noch ein paar Mails durchgehen. Sie klappte ihren Laptop auf und fing an zu lesen.

Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab, sie hatte Probleme sich zu konzentrieren. Irgendwie, schleichend, war alles immer mehr geworden: die Arbeit, die Verantwortung für Mama, auch wenn diese für ihr Alter noch sehr fit war, so sah und hörte sie doch sehr schlecht und konnte Briefe nicht mehr alleine lesen, geschweige denn selbst schreiben. Ja, und dann war da natürlich auch noch die Verantwortung für Yanik, ihren Sohn. Auch wenn er schon 17 Jahre alt war und übernächstes Jahr sein Abi machen würde, so brauchte er sie natürlich, auch jetzt noch.  Noch immer war er sich nicht darüber im Klaren, was er nach der Schule machen wollte. Ihre Mutter sah das entspannt, aber Steph machte sich so ihre Sorgen. Eine gute Ausbildung, am besten in Form eines Studiums war heutzutage wichtiger denn je. Sie würde ihn zu Hause daran erinnern, schnellstmöglich einen Termin für ein Beratungsgespräch bei der Agentur für Arbeit auszumachen. Von seinem Vater war Steph schon lange getrennt, da war Yanik noch im Kindergarten. Ralph und sie teilten sich beide das Sorgerecht und es funktionierte in den meisten Fällen angenehm problemlos.

Wenn sie jetzt so an Ralph dachte, fiel ihr auf, dass er in der letzten Zeit etwas blass und unkonzentriert wirkte; sie hoffte, dass alles in Ordnung mit ihm war. Auch wenn sie schon lange getrennt waren, verband beide doch noch eine sehr freundschaftliche Beziehung und Steph erinnerte sich noch sehr lebhaft daran, wie seine Krebserkrankung vor fünf Jahren sie belastet hatte. Wenn sie sich richtig erinnerte, hatte er damals ähnliche Symptome: Blässe, Müdigkeit, fehlende Konzentration. Sie würde ihn bitten, schnellstmöglich zum Arzt zu gehen. Ach, immer gab es irgendetwas worüber sie sich Gedanken machte. Hörte das denn nie auf? Im Gegenteil, es schien immer nur schlimmer zu werden und sie fand es zunehmend schwieriger zu entspannen. Steph merkte, wie ihre Gedanken immer trüber wurden.

Ihr Blick schweifte ab, sie schaute gedankenverloren in den verschneiten Winterwald. Früher, als Kind, ging sie gerne mit ihrem Vater im Wald spazieren. Er erzählte ihr dann immer Geschichten und sie war lange fest davon überzeugt, dass im Wald Feen, Elfen und Wichtel lebten. Als Kind hatte sie sich immer vorgestellt, dass sie im Winter in Bauten unter der Erde wohnten, die sie sich gemütlich eingerichtet hatten mit Fellen als Kuschelzonen, mit Hölzern aus dem Wald, aus denen sie Sitzgelegenheiten und Tische zimmerten und Tannenzapfen, Nüsse und Wurzeln, mit denen sie wunderschöne Dekorationen zauberten.

Können Sie sie auch sehen?“ hörte sie plötzlich eine Stimme fragen. Im Nu war Steph wieder mit ihren Gedanken in der Bahn. Sie drehte sich zur Seite und sah einen Mann, der sie direkt ansah. Er war vielleicht um die vierzig, hatte blonde längere Haare, die seitlich aus seiner braunen Wollmütze hervorschauten, einen Bart, so eine Mischung aus Voll- und keinem Vollbart, grüne Augen, Lachfalten und einen freundlichen Gesichtsausdruck.

Ich habe Sie schon beobachtet eine Weile.“ Er sprach mit einem leichten Akzent, den Steph nicht einordnen konnte. „Sie sehen aus sorgenvoll, aber wenn Sie in den Wald schauen, Ihre Gesichtszüge sind entspannt. Auf Island wachsen wir auf mit Elfen und Trollen. Keine Ahnung, ob sie existieren wirklich, aber sie geben mir ein gutes Gefühl. Die Natur ist ganz wichtig für uns Isländer. Sie ist mächtig und magisch. Wir Menschen können nicht erklären alles. Aber das ist nicht wichtig. In Schönheit liegt Magie. Und Magie macht unser Leben reicher und leichter. Nehmen Sie sich Zeit, wieder das Schöne zu lassen in Ihr Leben und vertrauen Sie“, fügte er hinzu. Der Mann schaute Steph direkt an. „Passen Sie auf auf sich. So, ich muss jetzt aussteigen.“ Und mit diesen Worten verschwand Stephs Sitznachbar in Richtung Ausstieg. An der Tür drehte er sich noch einmal zu ihr um und lächelte sie an, bevor er raus in den Schnee verschwand.

In ein paar Minuten hatte es dieser fremde Mann nur mit seiner Präsenz und seinen Worten geschafft, Steph ein Gefühl von innerer Ruhe und Geborgenheit zu geben. Sie beschloss spontan, eine Haltestelle früher auszusteigen und durch den Wald nach Hause zu laufen. Sie hatte LED-Kerzen für ihre Mutter gekauft, für deren neuen Adventskranz, nachdem diese ihren alten letztes Jahr angefackelt hatte. Eine andere Sache, die ihr Sorgen bereitete. Aber jetzt würde Steph  erst einmal eine Kerze von ihrer Mutter anzünden und mit einem Licht durch den verschneiten Winterwald nach Hause gehen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine wunderschöne Weihnachtszeit, Zeit, diese ganz eigene Magie dieser besonderen Zeit zu entdecken, Zeit für das Schöne, ein Licht, das Ihnen Vertrauen schenkt und die Nähe von Menschen, die Ihnen guttun.

 

The light by Bettina Bonkas – in English

Steph was sitting in front of her computer, she was rather stressed. Quickly the last entries before she would rush to get her train. She was really late again but she had to finish typing that last sentence. Perfect! Now, saving her file and then she would jog to the train station. Not exactly what she fancied doing now but what did her best friend Maja kept saying: “You have to do sport, darling!” 10 minutes jogging to the train station was sport, that had to do.

In a hurry, Steph changed into her winter boots before she grabbed her bag and ran to the tube station. The train was already approaching the station when she came to the platform. So, quickly she jumped up the stairs and into the train. She squeezed herself into the tube which was packed with people. It didn’t matter, the main thing was that she had got her train. Otherwise she would have had to wait three quarters of an hour for her connecting train, not really a pleasure in the cold and with the draught on the platform. The train was starting when she remembered with a start that she had planned to see her mum. That meant she should be on a different train. She was always in a hurry and as a consequence things simply slipped her mind with all the stuff she had on her mind. Damn it! Visiting her mum again was more than overdue.

She was a lovely elderly lady of 87 who managed her everyday life in a most admiring way. The “mother-stories” she heard from her friends were completely different: from high expectations to indirect criticism – subliminal remarks, you had to read between the lines and so difficult to deal with, being offended and Lord only knows what else. Terrible! Steph was really glad about her mum. Sure, they had arguments too but Steph loved her mum dearly. Their relationship might have been so strong because her father had left the family long ago.

In the beginning, when Steph was still little, she had seen him regularly and he had spent a lot of time with her until he had started a new family. He then let his daughter from his first marriage disappear more and more out of his life. That hurt, it damn hurt but she had learnt to live with it and now she didn’t miss him anymore. Hey, why did she have those stupid thoughts now? Ah, she remembered, she was on the wrong train. But maybe that wasn’t too bad really as it had started to snow and the trains would grind to a halt, she knew that from experience. She would call her mum later and arrange to meet another day.

Another two stations and then, finally, she could get off and change into her train home. Fortunately that one would be emptier. At the station, together with her fellow passengers, Steph was pushed out of the train and together with her fellow passengers she went down the stairs. She went along the underground crossing and the stairs up to the platform. Her train would come in 15 minutes, enough time for a nice steaming cappuccino. She had her coffee-to-go-cup filled up and went back to the platform. Her train arrived with a seven-minute delay. Grateful for a seat Steph sat down. She was longing to just close her eyes and take a nap but she had to go through some e-mails. She opened her laptop and started reading.

Her thoughts drifted away, she struggled to concentrate. Somehow, gradually really, everything had become more: work, the responsibility of her mum, even though she was really fit for her age, her eyesight and hearing were really poor and she couldn’t read letters on her own, let alone write any. And then, she was of course responsible for Yanik, her son. Even if he was already 17 and would take his A levels next year, he still needed her. He still had no idea what he wanted to do after school. Her mum was relaxed about it but Steph was worried. Good training, ideally with a college degree, was more important than ever. She would remind him to get an appointment at the job agency for counseling ASAP. Steph had been separated from Yanik’s father for a long time, he was still in kindergarten at the time. Ralph and she shared custody for him and it worked pleasantly well in most cases.

When she thought of Ralph, she realized that he seemed a bit pale and lacking concentration recently; she hoped that everything was OK with him. Even though they had been separated for a long time, they had remained friends and she remembered vividly how distressful she had experienced his cancer disease five years ago. If she remembered correctly, he had similar symptoms back then: paleness, tiredness, lack of concentration. She would ask him to go to the doctor’s immediately. There was always something to worry about. Would that never end? On the contrary, it seemed to get worse and she found it increasingly difficult to relax. Steph, noticed that she was becoming really gloomy.

Her eyes started to wander and caught in thoughts she looked into the snowy winter forest. In former times, when she was a child, she really enjoyed going into the forest with her dad. He would tell her stories and for a long time she was convinced that fairies, elves and trolls lived in the forest. As a child she had always imagined that they lived in caves under the earth which they had equipped comfily with fur as cuddling zones, seats and tables made from wood, and with nuts and roots from which they had conjured up beautiful decorations.

Can you see them, too?”, she heard a voice next to her all of a sudden. In no time Steph was back in the train with her thoughts. She turned to the side and saw a man who was looking at her. He was a man of around forty, he had long blond hair which looked out of the sides of his brown woolen hat, a beard, a mix between a full beard and not a full beard, green eyes, laughter lines and a friendly expression.

I’ve been watching you for a while.” He spoke with a slight accent which Steph couldn’t place. “You look worried but when you look into the forest, your face is relaxed. On Island we grow up with elves and trolls. No idea if they exist really but they give me a good feeling. Nature is very important for us islanders. She is magic and powerful. We humans can’t explain everything. But that isn’t important. There’s magic in beauty and magic makes our life richer and lighter. Take your time to let beauty into your life again and have faith”, he added. The man looked at her directly. „Look after yourself. So, I have to get off now.“ And with these words Steph’s seatmate disappeared in the direction of the exit. At the door he turned around to her and smiled at her before he finally disappeared out into the snow.

Only in a few minutes, this stranger had succeeded by his sheer presence and with his words that Steph had a feeling of peace of mind and a feeling of security. She decided spontaneously to get off one station earlier and to walk home through the forest. She had bought LED-candles for her mum, for her new Advent wreath after her mum had set fire to her old one last year. Another thing to worry about. But now Steph would light one of her mum’s candles and would go home through the snowy winter wonderland with a shining light on.

In this spirit I wish you a most wonderful Christmas time, time to discover the very own magic and beauty of this time, a light which gives you faith and people around you who do you good.

Januar 2015: The man on the train – Der Mann aus dem Zug

Auf Bahnfahrten kann  man interessante Leute kennenlernen. Vor ein paar Jahren haben wir ein blindes Ehepaar getroffen, das uns sehr interessant über sein Leben erzählt hat. Es war faszinierend zu erleben, was sie alles aufgenommen haben, ohne Sehkraft. In der Januar-Kurzgeschichte geht es auch um eine Begegnung während einer Bahnfahrt. Lest selbst, ob diese Begegnung ebenfalls in Erinnerung bleiben wird.

The man on the train by Bettina Bonkas

At last! Natasha was sitting on the train to Fribourg. It didn’t matter to her that she had read only recently that the train changed their cushions just every eight weeks. She leaned her head back nevertheless and closed her eyes. It had been so much to do at work again so that she only got a seat on a slow train. Well, that gave her at least enough time for a decent rest. But her thoughts seemed to be racing and she didn’t manage to unwind. Why hadn’t she taken some work with her? Then, at least, she could have made good use of the time on the train. Well, she had thought of taking a book with her which she got out and began to read. She must have fallen asleep because the next thing she could remember was Father Christmas in front of the door of her compartment. She squinted her eyes and finally saw a man of about 70 who was standing in front of the compartment. He had white hair and an equally white beard. He had opened the door of the compartment slightly and peeped inside, asking her if there was still a free seat. Stupid question! It was obvious from outside that there were still seats available. And who went by train on Christmas Day anyway? She barely nodded and resumed reading. Instead of focusing on her book she reviewed the last three years. She had never regretted leaving the Black Forest behind and starting a career in Frankfurt. The clocks seemed to tick faster in Frankfurt and she enjoyed its pace and also the possibilities which opened up to her. She had the impression that she could make a change and she loved the energy of that city. The offer of leisure activities was a lot more interesting. She did improvisation theatre in English and had already met many interesting people. All of them came from different parts of Germany, many of them even from different countries. It was four years ago that she came to live in the Main metropolis. During which time she lived in a small flat in the city. She could go to the nearby Grüneburgpark to go jogging and had a short way to work. She didn’t miss the confinement of village life the least bit.

The train was rattling through the countryside. Natasha fell asleep again and woke up to the scent of tea. She squinted first and then opened her eyes properly. The whole compartment smelled of tea. The older gentleman had poured himself a cup of tea and was holding the mug with both hands. “Would you like a cup of tea?”, he asked her kindly. For the first time she looked at him properly. He had warm brown eyes and an equally friendly face like the Pope was the thought that ran through her head. Natasha wasn’t particularly religious but she was brought up in the catholic faith and she simply liked Pope Francis. There was no room for faith in her present life though. It had been a deliberate choice to leave the cosy Black Forest behind for a new life in Frankfurt which held promising career options. Without thinking Natasha accepted his offer and the next moment she was enjoying the best tea she had ever had. Soon afterwards both were engaged in an interesting conversation and were talking about God and the world: about her work, her job in Frankfurt, her move from a small village in the Black Forest to the big city, her childhood, her wishes, the conflicts in the world, about Christmas markets, simply about everything. Natasha felt very comfortable in the presence of the elderly gentleman. She didn’t know if it was because of his warm smile or his open, loving personality. And maybe it was even the tea. She only knew that she enjoyed his presence and that time flew by.

“I’m really sorry but I have to leave the train at the next station”. With those words the elderly man introduced the end of their conversation which had been going on for what felt like an eternity. Disappointment and a bit of sadness flared up in Natasha. She wanted to ask him for his address but they had already reached the station and she quickly helped him to take all his things to the door.

“Thank you very much for your very pleasant company, young lady. I’ve very much enjoyed our conversation”, and she could see in the sparkle of his eyes that he really meant what he said. “Learn to have faith. Faith enriches our lives.“ She hugged him without saying a word and looked as he left. The door slammed shut and the train went on its way to Fribourg.

Nathalie went back to her seat. The compartment seemed somehow empty now. She began to read but she couldn’t set her mind on the book. All of a sudden her eyes caught a bag on the seat by the window where the elderly man had sat. She went to the bag. Two eyes looked at her hopefully. A little dog. Wait a moment, there was something wrong. She had talked an eternity to the gentleman, she was bound to have noticed a dog. Natasha looked at her watch. 4pm. Did she only talk to the man for one hour? No way. She was completely confused. She checked her smartphone, just to be on the safe side. 4pm. It was really like that. Another two hours until they arrived in Fribourg. She had plenty of time, nevertheless, she raked through his bag frantically for any traces of his address. There might have been a chance to get hold of him by phone. She had placed the dog carefully on one of the seats. Nothing.  Absolutely nothing. Only a dog blanket and something to eat and drink for the dog, nothing else. Damn it! She would take the dog to her parents and resume her search from their place.

At 6pm sharp the train arrived in Fribourg. Natasha was now glad that her brother Michael had insisted on picking her up from the railway station. “Hi, big sister. Welcome back home.” Michael hugged her heartily. She hadn’t seen her brother for two years. Last year, over Christmas, she went skiing to Switzerland with some colleagues and she always spent her holidays somewhere abroad. There was so much to discover and explore. She would never understand what held her brother in the Black Forest but she would always love him and their relationship was close no matter the distance. She was happy to see him again. On the way to his car Natasha told him about the dog and the elderly gentleman on the train. Michael listened carefully and looked at the dog. “You are a beauty, aren’t you”, he said to the dog and stroked its head. “That is a very beautiful dachshund”, he finally said and put him gently into his car. And off they went through the snowy Black Forest. They had a lot of catching up to do and they talked excitedly all the way to their parents. Natasha didn’t even feel a suggestion of fatigue. She was now even looking forward to celebrating Christmas with her family. Her parents greeted her with a big hallo and wouldn’t stop hugging her. Dog, that was what she had called him for the time being, was admired and looked after. He cuddled into a blanket and decided that a rest would be appropriate now. Her family had waited for dinner and shortly afterwards they were all sitting round the big dining table in their parents’ living room, enjoying Christmas Eve. She noticed how much bigger everything was compared to her small flat in Frankfurt. The Christmas tree seemed so huge. She had no Christmas decoration in her flat. No time. Shortly before midnight they all tramped through the snowy village to go to church. The last time she had been there was ten years ago.

Christmas was on a Wednesday that year. That wouldn’t give Natasha a really good opportunity to look for the elderly gentleman from the train. She had grown fond of dog but of course she would go on trying to find his master. She would stay until 4 January at her parents’. Who knows, she might be lucky and finally find him. But Germany seemed to have gone into hibernation in the time between the years which was how the Germans called the time between Christmas and New Year. She had no idea really where to start searching. She didn’t know where he lived and she became aware that she knew nothing of him.

She and Michael were sitting in her former girl’s room. They were listening to music and talking about their childhood. “Are you sure you looked properly in his bag?”, Michael asked her out of the blue. “Sure, but you can have another look if you don’t believe me”, Natasha replied and grinned at him. He took the bag and started looking for any traces. Natasha went on with her handicraft when her brother held an envelope triumphantly under her nose. “You didn’t find this one, did you? Let me guess Miss hectic raked through the bag in record time. I know my sister.” And with a broad smile on his face he gave her the envelope. It was light blue and decorated with white snowflakes on the left. She opened the envelope and took out a letter, written on paper matching the envelope.

Dear Natasha,
Please look after Filou. You two are a perfect match.
Merry Christmas!
The man on the train
P.S. Don’t look for me. I’m on the way again.

How come he knew her name? Why did he know that Natasha wasn’t written with a “sch”, as common in Germany? It didn’t really matter. She only knew that her encounter with that elderly gentleman had changed her life. Natasha would find a solution for Filou and make room in her life for him. She was full of faith.


Der Mann aus dem Zug von Bettina Bonkas

Endlich! Natasha saß im Zug nach Freiburg. Egal, dass sie erst vor kurzem noch gelesen hatte, dass die Bahn ihre Kissen nur alle acht Wochen wechselte. Sie lehnte ihren Kopf dennoch an und schloss die Augen. Sie hatte im Büro wieder so viel zu tun gehabt, dass sie nur noch einen Platz in einem Bummelzug bekommen hatte. Zeit genug zum Ausruhen würde sie jetzt bestimmt haben. Aber in ihrem Kopf schwirrten tausend Gedanken. Sie konnte nicht abschalten. Warum hatte sie nichts zu arbeiten mitgenommen? Dann hätte sie die Zeit wenigstens sinnvoll nutzen können. Immerhin, sie hatte ein Buch mitgenommen. Sie packte es schließlich aus und begann zu lesen. Irgendwann musste sie eingeschlummert sein, denn das Nächste, an das sie sich erinnern konnte, war der Weihnachtsmann vor der Tür des Abteils. Sie kniff die Augen zusammen und sah schließlich, dass ein Mann, so um die 70, vor dem Abteil stand. Seine Haare waren weiß und er hatte einen ebenso weißen Bart. Die Tür zum Abteil hatte er leicht geöffnet und er fragte sie, ob noch ein Platz frei sei. Blöde Frage. Von außen war klar erkennbar, dass alle Plätze frei waren. Wer fuhr auch schon am Weihnachtstag mit der Bahn? Sie nickte kurz und wandte sich wieder ihrem Buch zu. Anstatt sich aufs Lesen zu konzentrieren, ließ sie die letzten Jahre Revue passieren. Sie hatte den Entschluss, dem Schwarzwald den Rücken zu kehren und in Frankfurt Karriere zu machen, nie bereut. Die Uhren gingen schneller in Frankfurt und sie genoss das Tempo und auch die Möglichkeiten, die sich ihr boten. In Frankfurt konnte sie etwas bewegen, die Stadt strahlte eine ganz andere Energie aus. Das Angebot an Freizeitaktivitäten war viel interessanter. Sie machte Improvisations-theater auf Englisch und hatte dadurch schon interessante Leute kennengelernt. Alle von ihnen aus einer anderen Gegend, viele von ihnen sogar aus dem Ausland. Vier Jahre war sie jetzt schon in der Mainmetropole. Mittlerweile hatte sie eine kleine Wohnung in der Stadt. Zum Joggen konnte sie in den Grüneburgpark gehen, zur Arbeit hatte sie es ebenfalls nicht weit. Sie vermisste die Enge des Dorflebens kein bisschen.

Die Bahn fuhr mit einem gleichmäßigen Ruckeln durch die Landschaft. Natasha schlief wieder ein und wachte schließlich zum Duft von Tee auf. Sie blinzelte erst und öffnete dann ganz die Augen. Das Abteil roch nach Weihnachtstee. Der ältere Herr hatte sich eine Tasse eingegossen und hielt die dampfende Tasse mit beiden Händen umschlossen. „Möchten Sie auch eine Tasse?“, fragte er sie freundlich. Zum ersten Mal schaute sie ihn richtig an. Er hatte warme braune Augen und ein genauso freundliches Gesicht wie der Papst, schoss es ihr durch den Kopf. Nicht dass Natasha besonders religiös wäre, aber als echte Schwarzwälderin war sie mit dem katholischen Glauben groß geworden und Papst Franziskus fand sie einfach sympathisch. In ihrer jetzigen Welt war kein Platz für Glauben. Sie hatte sich bewusst für eine Welt weg aus dem heimeligen Schwarzwald nach Frankfurt am Main entschieden, eine Stadt, die interessante Karriereoptionen offen hielt. Ohne zu überlegen nahm Natasha das Angebot an und im nächsten Moment genoss sie den besten Tee, den sie jemals getrunken hatte. Bald unterhielten sich beide angeregt über Gott und die Welt: Über ihre Arbeit in Frankfurt, ihren Umzug aus einem kleinen Dorf im Südschwarzwald in die Großstadt, über ihre Kindheit, über ihre Wünsche, über die Konflikte auf der Welt, über Weihnachtsmärkte, einfach über alles. Natasha fühlte sich in der Gegenwart des älteren Herrn ausgesprochen wohl. Sie wusste nicht, ob es an seinem warmen Lächeln lag oder an seiner offenen, liebevollen Art. Vielleicht lag es auch am Tee. Sie wusste nur, dass sie seine Gegenwart genoss und die Zeit wie im Flug verging.

„An der nächsten Haltestelle muss ich leider aussteigen“, sagte der ältere Herr nach einer gefühlten Ewigkeit. Enttäuschung und auch etwas Traurigkeit flammten in Natasha auf. Sie wollte ihn nach seiner Adresse fragen, aber da kam auch schon die Haltestelle und sie half ihm schnell, seine ganzen Sachen zur Tür zu bringen. „Vielen Dank für Ihre sehr angenehme Gesellschaft, junge Dame. Ich habe die Unterhaltung mit Ihnen sehr genossen“, und sie sah dem Funkeln seiner Augen an, dass er meinte, was er sagte. „Lernen Sie wieder zu glauben. Der Glaube macht unser Leben reicher.“ Sie umarmte ihn wortlos und blickte ihm hinterher. Die Tür fiel ins Schloss und der Zug fuhr weiter in Richtung Freiburg.

Natasha nahm wieder Platz in ihrem Abteil, das ihr jetzt so leer vorkam. Sie begann zu lesen, aber sie konnte sich nicht so recht auf den Inhalt des Buches konzentrieren. Plötzlich fiel ihr Blick auf eine Tasche am Fenster, da, wo vorher der ältere Herr gesessen hatte. Sie ging zur Tasche hin und zwei erwartungsvolle Augen blickten sie an. Ein kleiner Hund. Moment mal, das passte irgendwie nicht. Sie hatte sich eine Ewigkeit mit dem Herrn unterhalten, da hätte sie den Hund bemerken müssen. Natasha blickte auf die Uhr. 16:00 Uhr. Nur eine Stunde hatte sie sich mit dem Mann unterhalten. Aber das konnte nicht sein. Sie war verwirrt. Sie checkte zur Sicherheit die Uhr auf ihrem Smartphone. 16:00 Uhr. Es war tatsächlich so. Noch zwei Stunden bis Freiburg. Sie hatte zwar genügend Zeit, dennoch durchwühlte sie hektisch die Tasche nach einem Hinweis auf die Adresse des Mannes. Vielleicht erreichte sie ihn noch telefonisch. Den Hund hatte sich vorher vorsichtig auf einen Sitz gesetzt. Nichts. Gar nichts. Außer einer Hundedecke und etwas zu essen und trinken fand sie nichts in der Tasche. Mist! Sie würde den Hund erst einmal mit zu ihren Eltern nehmen und von dort weiter forschen.

Pünktlich um 18:00 Uhr kam die Bahn in Freiburg an. Natasha war jetzt froh, dass ihr Bruder Michael darauf bestanden hatte, sie am Bahnhof abzuholen. „Hey, große Schwester. Willkommen zu Hause.“ Michael umarmte sie herzlich. Sie hatte ihren Bruder seit zwei Jahren nicht gesehen. Letztes Jahr war sie mit Kollegen über Weihnachten in die Schweiz gefahren und ihren Urlaub verbrachte sie immer im Ausland. Es gab so viel zu erkunden und entdecken. Auch wenn sie wohl nie verstehen würde, was Michael im Schwarzwald hielt, war ihr Verhältnis nach wie vor herzlich und sie freute sich sehr, ihn wieder zu sehen. Auf dem Weg zum Auto erzählte Natasha ihm von dem Hund und dem älteren Herrn im Zug. Michael hörte aufmerksam zu und betrachtete sich den Hund. „Du bist ein Schöner“, sagte er zu ihm und streichelte ihn über den Kopf. „Das ist ein richtig hübscher Rauhaardackel“, sagte er schließlich und hob ihn vorsichtig ins Auto. Und los ging’s durch den verschneiten Schwarzwald. Die beiden hatten sich viel zu erzählen und Natashas Müdigkeit war wie weggeblasen. Mittlerweile freute sie sich sogar darauf, Weihnachten bei ihrer Familie zu feiern. Von ihren Eltern wurde sie mit einem lautem Hallo und herzlichen Umarmungen begrüßt. Hund, so hatte sie ihn erst einmal genannt, wurde bewundert und versorgt. Er kuschelte sich in seine Decke und beschloss, dass Ruhe jetzt ganz angebracht sei. Ihre Familie hatte mit dem Essen auf sie gewartet und kurze Zeit später saßen alle um den großen Esszimmertisch im Wohnzimmer ihrer Eltern und genossen den Weihnachtsabend. Ihr fiel auf, wie viel mehr Platz sie hier hatten im Vergleich zu ihrer Wohnung in Frankfurt. Der Weihnachtsbaum wirkte so riesig. Sie selbst hatte zu Hause gar nicht weihnachtlich dekoriert. Keine Zeit. In die Christmette um Mitternacht stapften alle durch das verschneite Dorf. Zum letzten Mal war Natasha vor zehn Jahren dort gewesen.

Weihnachten fiel in jenem Jahr auf einen Mittwoch. Das würde Natasha nicht wirklich viele Möglichkeiten einräumen, nach dem älteren Herrn aus dem Zug zu suchen. Irgendwie war ihr Hund sogar in der Zwischenzeit ans Herz gewachsen, aber natürlich würde sie weiter suchen. Schließlich blieb sie noch bis zum 4. Januar bei ihren Eltern. Vielleicht hatte sie ja Glück und konnte etwas bewirken. Aber Deutschland schien zwischen den Jahren in eine Art Winterschlaf gefallen zu sein. Sie wusste auch nicht wirklich, wo sie ansetzen sollte, schließlich wusste sie nicht, wo er wohnte. Sie wusste gar nichts von ihm.

Michael saß mit ihr in ihrem früheren Mädchenzimmer. Sie hörten sich Musik an und redeten über ihre Kindheit. „Bist du sicher, dass du die Tasche gründlich durchsucht hast?“, fragte Michael sie plötzlich. „Klar, aber du kannst ja nochmal durchschauen, wenn du mir nicht glaubst“, erwiderte Natasha und grinste ihn an. Er griff sich die Tasche und wühlte darin herum. Natasha wandte sich wieder ihrer Bastelarbeit zu, als Michael ihr triumphierend einen Umschlag unter die Nase hielt. „Den hattest du wohl nicht entdeckt, oder? Lass mich raten, Fräulein Hektikerin hat die Tasche im Eilverfahren durchfilzt“, und mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht gab er ihr den Umschlag. Er war hellblau und war links mit weißen Schneeflocken dekoriert. Sie öffnete den verschlossenen Umschlag und holte einen Brief heraus, geschrieben auf Briefpapier, passend zum Umschlag.

Liebe Natasha,
bitte passe auf Filou gut auf. Ihr beide gehört zusammen.
Frohe Weihnachten!
Der Mann aus dem Zug
P.S. Suche nicht nach mir. Ich bin schon wieder unterwegs.

Woher wusste er ihren Namen? Woher wusste er, dass Natasha nicht mit „sch“ geschrieben wurde? Letztendlich war es auch egal. Sie wusste nur, dass sich ihr Leben seit der Begegnung mit diesem älteren Herrn verändert hatte. Natasha würde eine Lösung für Filou finden und in ihrem Leben Platz für ihn machen. Sie glaubte ganz fest daran.

Dezember 2014: So much alive – So lebendig

In der Dezember-Kurzgeschichte geht es um Liebe und eine wichtige Entscheidung.

So much alive by Bettina Bonkas

Lara was sitting on her bed. She stared in disbelief at the three stripes of paper in her hand. Three tests with the same result. There was no doubt, she was pregnant. How could this have happened? She had always been so careful. She knew all along that Ken didn’t want to have any children. He had enough on his plate with his wife who suffered from asthma and their two children. He loved Lara from the bottom of his heart and he would like nothing better than to be with her forever, he kept telling her. And she believed him. But should he leave his children and his wife in her poor state of health? And how would his wife cope with the situation? They would find a solution, just not now when the children were still so young. The youngest was at primary school, the older one was changing to secondary this year. They had to stick together. She would certainly understand. And she did, as she had for so many years.

She simply loved Ken. She felt free and easy-going in his presence and he could be so incredibly charming. Everything was so exciting with him, he always came up with new ideas and with him she had the feeling of discovering so much more about the world. She came from a conservative family of civil servants – averse to risk, safe jobs, investing their money in property and spending their holidays in the Black Forest every year. Always the same old story. With Ken she could escape the daily routine. And now the baby! No more security. She could keep her job, OK. Being a civil servant she even was entitled to a part-time job which was a lot more difficult in the private sector, she knew about that from her girlfriends. (not such a bad thing her parents’ safety-mindedness ;-)). But she didn’t want to lose Ken. She couldn’t imagine life without him!

She paced up and down in her flat. What was she to do? Life without Ken? No way! An abortion? That would be murder! She had no reason really. She was young, healthy and had no big financial problems thanks to her family’s mindset. Sure, she wouldn’t be able to live in the lap of luxury, but at least she wouldn’t have to worry about her future from a financial perspective. But without Ken? He had always made it very clear to her that he didn’t want to have any more children. Sometimes, very discreetly, she had asked him about it. She assured him that no one had to know about it, just the three of them. But he blocked every time she asked. Didn’t they have a great time together, just the two of them? Everything would change with a child. He knew what he was talking about. And then he had one of his crazy ideas, eased her mind and sent her worries packing. He was probably right: Their life was great the way it was. Why change it? She could give the baby away for adoption.

Lara lay down on the sofa and fell into a restless sleep. She dreamed of her belly which
grew bigger and bigger until a Minion popped out. Ken had given her a Minion as a
stuffed toy which could speak after they had seen “Incredible Me 2”. That was the way he
was: a big child. The Minion plopped now out of her and said: “Hello!” in its Minion voice. In her dream she was walking in the city and saw babies everywhere. When she looked into the faces of the passing people she saw baby faces. Some of them had hair and they looked at her with huge blue eyes. Baby heads on grown-up bodies, that was absurd. Others, on the other hand, were bald-headed and their huge eyes gazed at her. Then she saw something that she couldn’t get out of her mind. She glared at it unbelievingly and all of a sudden she knew what to do.

The sun was shining when she met Ken in a café in the afternoon. She had called him and briefly told him why she wanted to see him. She didn’t want to catch him unawares. Before she had seen a doctor to have her suspicion confirmed. Ken was sitting in the café when she came in. He looked fantastic with his tan and his blue shirt – a perfect match for his blue eyes. He got up, hugged her and came to the point straight away. “What a surprise!” He forced himself to a smile but Lara saw that his eyes weren’t smiling. “You’ll understand that I …” She interrupted him. “Ken, you take care of your family and I’ll take care of mine.” And she left him sitting alone in the café and went outside into the sun. Outside she took a deep breath.

In her dream she had seen the lively brown eyes of her two babies. She didn’t know how to go on but she knew that she would. And with those thoughts she left Ken together with the café behind her and enjoyed the feeling of the sun on her face.

 

 So lebendig von Bettina Bonkas

Lara saß auf ihrem Bett und schaute ungläubig auf die drei Streifen in ihrer Hand. Drei Tests mit demselben Ergebnis. Es gab keinen Zweifel, sie war schwanger. Wie konnte das nur passieren? Sie hatte doch immer so aufgepasst. Sie wusste, dass Ken keine Kinder wollte. Er hatte genug zu tun mit seiner asthmakranken Frau und ihren beiden Kindern. Er liebte Lara von Herzen und würde am liebsten für immer mit ihr zusammen sein, das beteuerte er ihr immer wieder. Aber sollte er seine Kinder mit der kranken Frau zurücklassen? Und überhaupt, wie würde sie, seine Frau, mit der Situation zurechtkommen? Es würde schon eine Lösung geben, nur eben nicht jetzt, wenn die Kinder noch so jung waren. Die Kleine war in der Grundschule, der Große wechselte dieses Jahr noch auf die weiterführende Schule. Da mussten sie zusammenhalten. Das würde sie doch verstehen. Und sie verstand. Wie so viele Jahre schon.

Sie liebte Ken einfach. In seiner Gegenwart fühlte sie sich so unbeschwert und frei und er konnte so wahnsinnig charmant sein. Alles war so aufregend mit ihm, er kam auf immer neue Ideen und sie hatte das Gefühl, die Welt mit ihm neu zu entdecken. Sie stammte aus einer konservativen Beamtenfamilie. Bloß kein Risiko eingehen, eine sichere Stelle, das Geld in eine Eigentumswohnung investieren und den Urlaub jedes Jahr im Schwarzwald verbringen. Immer der gleiche Trott. Mit Ken konnte sie diesem Trott entfliehen. Und jetzt das Baby! Nichts mehr mit Sicherheit. Ihren Job würde sie wenigstens behalten. Das war leichter als in der freien Wirtschaft, das hatte sie bei Freundinnen gesehen. (Also gar nicht schlecht die Sicherheits-denke ihrer Eltern;-)). Aber sie wollte Ken nicht verlieren. Sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen.

Ruhelos lief sie in ihrer Wohnung hin und her. Was sollte sie bloß tun? Ein Leben ohne Ken? Niemals! Abtreiben? Das wäre Mord! Sie hatte keinen wirklichen Grund. Sie war jung, gesund und dank des Sicherheitsdenkens ihrer Familie finanziell ausreichend ausgestattet. Klar, sie könnte keine großen Sprünge machen, aber zumindest müsste sie keine Existenzängste haben. Aber ohne Ken? Er hatte es ihr immer wieder sehr deutlich gemacht, dass er keine weiteren Kinder wolle. Manchmal, ganz dezent, sprach sie ihn darauf an. Sie beteuerte ihm auch, dass keiner davon wissen müsse. Nur sie drei. Aber er blockte jedes Mal ab. Hätten sie nicht so viel Spaß zusammen, nur sie zwei? Mit einem Kind würde sich alles ändern. Er wisse schließlich, wovon er rede. Und dann hatte er wieder eine seiner verrückten Ideen und brachte sie auf völlig andere Gedanken. Wahrscheinlich hatte er recht: Ihr Leben war so, wie es war, ganz wunderbar. Warum es ändern? Sie konnte das Kind schließlich zur Adoption freigeben.

Lara legte sich aufs Sofa und fiel in einen unruhigen Schlaf. Sie träumte davon, dass ihr
Bauch immer größer wurde und ein Minion herausploppte. Ken hatte ihr, nachdem sie „Ich – Einfach unverbesserlich 2“ gesehen hatten, ein Plüsch-Minion, das sprechen konnte, geschenkt. So war er, ein großes Kind. Jetzt ploppte es aus ihr heraus und rief: „Hallo!“ in seiner Minionstimme. Sie lief in ihrem Traum durch die Stadt und sah überall Babys. Wenn sie in die Gesichter der vorbeikommenden Menschen sah, sah sie Babygesichter. Manche hatten schon Haare und schauten sie mit großen blauen Augen an – Babyköpfe auf erwachsenen Körpern. Absurd! Andere wiederum waren glatzköpfig und ihre geweiteten Augen waren voll auf sie gerichtet. Dann sah sie etwas, das sie nicht mehr losließ. Sie starrte es ungläubig an und plötzlich wusste sie, wie sie sich entscheiden würde.

Die Sonne schien, als sie Ken am Nachmittag im Café traf. Sie hatte ihn angerufen und ihm kurz geschildert, um was es ging. Sie wollte Ken nicht unvorbereitet ins Gespräch gehen lassen. Mittlerweile hatte sie ihren Verdacht durch einen Arzt bestätigen lassen. Er saß bereits im Café, als sie eintrat. In seinem blauen Hemd, passend zu seinen blauen Augen, und der gebräunten Haut, sah er wahnsinnig attraktiv aus. Er begrüßte sie mit einer Umarmung und kam gleich zur Sache. „Das ist eine Überraschung!“ Er zwang sich zu einem Lächeln, aber Lara sah, dass seine Augen nicht mit lächelten. „Du wirst verstehen, dass ich …“ Sie unterbrach ihn. „Ken, du kümmerst dich um deine Familie und ich mich um meine.“ Und mit diesen Worten ließ sie ihn alleine am Tisch sitzen, verließ das Café und ging hinaus in die Sonne. Draußen angekommen atmete sie erst einmal tief durch.

Im Traum hatte sie die lebendigen braunen Augen ihrer zwei Babys gesehen. Wie es weitergehen würde, wusste sie nicht, dass es weitergehen würde schon. Und mit diesen Gedanken ließ sie das Café samt Ken hinter sich und genoss die Sonne auf ihrem Gesicht.

 

October 2014: Control – Kontrolle

Control part 2 by Bettina Bonkas

Jena was quiet. „You also asked me about possibilities. The company offers help. Do you see my suit? There’s a reinforcement in the back.“ Vanessa turned around to show her the back. “It’s for a straight posture and with your body language you show self-confidence. Then there’s a sensor in my clothes. It’s connected with a chip which is implanted under my skin. Have a look here.” Vanessa lifted her hair and pointed to a spot at her neck . “With the sensor in your clothes they can measure in which emotional condition you are and use the chip to take targeted measures. With that you’re perfectly prepared for each interview. When you don’t need help anymore you just switch off the sensor. That’s what I did when I arranged my shawl in the interview.” Jena looked at her incredulously. “That sounds completely high-tech, somehow spooky”, she finally said. “Yeah, I had the same thought in the beginning but it helps. I can do my job more efficiently, can sleep well in the night and I’m more relaxed. I have control over my emotions and I can steer my performance better. I want to move on. ChipPeople is a great employer. If that’s the price I have to pay, then I’m OK with it. Others have to show huge efforts, mine are small by comparison. I’m happy the way it is.” Both were silent and looked into the green garden. “How long have you had the chip?“ „For four months.“ “Can they control your private life?”, Jena asked. „No. You just have to remember to switch off the sensor. It’s a question of habit. In the beginning I sometimes forgot to switch it off but I’ve never felt observed. Why should they spy on your private life? The main thing is that you do a good job.”

A week later Jena had a chip implanted into her neck and got some new clothes. When choosing her new clothes she could submit to her fashion wishes. The clothes were exchanged for new ones in regular intervals and the cleaning was organized by her company. Jena didn’t feel so insecure anymore when conducting personnel interviews and she enjoyed being open for other things. After only one month with the chip she couldn’t imagine life without it anymore.

It was stormy outside and autumn was beginning to show its unpleasant sides. “Jena, could you come into my office, please? I’d like to have a word with you.” Vanessa had been promoted to head of HR in the meantime. Maybe she would offer her a group leader position. She closed the door behind her, excitedly. “Jena, I don’t want to beat about the bush. We don’t see a common future with you anymore that’s why we’re going to go our separate ways. You have increased your performance very much but to be honest we would have expected more from you after implanting the chip. You will get an appropriate redundancy payment and we are happy to support you in finding a new job.” Vanessa looked at her. There were no signs of emotions in her eyes. She put forward her concerns clearly expressed and bare of any empathy. Jena held her gaze. All of a sudden she realized how her coolness diminished and was replaced by fear instead. Why the hell didn’t her clothes work? Now, when she needed them most. Damn it! Vanessa seemed to be able to read her thoughts. “Don’t try. We changed the settings in your chip. I could even raise your emotions uncontrollably but I want to spare us this unpleasant and embarrassing situation. Just sign the termination agreement here.” She moved the agreement over to her. Jena  felt paralyzed. Everything seemed so unreal, like in a bad dream. And yet she became brutally aware that she had allowed them to take control over her. What did she really know about the chips they produced? Were they used in other companies too? Those thoughts send a shiver down her spine. And what did she know about Vanessa? Did she just put on an act for her to gain control over her?

“Will I ever be free from you?”, she finally managed to say. “Sweetie, how can you expect freedom when even civilized states survey their people? No, you will never be free. But you can learn to make the best of the situation. And you’ll be needing some quantum of luck”, Vanessa answered with a smile on her face.

Kontrolle Teil 2 von Bettina Bonkas

Jena schwieg. „Du hast mich auch nach Möglichkeiten gefragt. Die Firma bietet Hilfe an. Siehst du mein Kostüm? Im Rücken ist eine Verstärkung eingenäht.“ Vanessa drehte sich um, um ihr die Rückenpartie zu zeigen. „Damit hast du eine gerade Haltung und drückst schon mal durch deine Körpersprache Selbstvertrauen aus. Dann ist in der Kleidung ein Sensor angebracht. Er ist mit einem Chip verbunden, der in meiner Haut eingepflanzt ist. Schau hier.“ Vanessa hob ihre Haare hoch und zeigte auf eine Stelle an ihrem Nacken. „Mit dem Sensor in der Kleidung können sie messen, in welchem emotionalen Zustand du bist und mit Chip entsprechend entgegensteuern. Damit bist du für jedes Gespräch optimal vorbereitet. Wenn du die Hilfe nicht mehr brauchst, stellst du den Sensor einfach ab. Das habe ich vorhin gemacht, als ich meinen Schal arrangiert habe.“ Jena schaute sie ungläubig an. „Das ist, das ist ja total hightech-mäßig. Das klingt irgendwie gespenstisch“, brach sie schließlich hervor. „Ja, das habe ich am Anfang auch gedacht. Aber es hilft. Ich mache meinen Job effizienter, kann ruhig schlafen und bin entspannter. Ich habe Kontrolle über meine Emotionen und kann meine Leistungen besser steuern. Ich will vorankommen. ChipPeople ist ein super Arbeitgeber. Wenn das der Preis ist, den ich zahlen muss, dann bitte. Da bringen andere einen ganz anderen Einsatz.“ Beide schwiegen und blickten ins Grüne. „Seit wann hast du den Chip?“ „Seit vier Monaten.“ „Können Sie dich auch im Privatleben kontrollieren?“, fragte Jena. „Nein. Du musst nur daran denken, den Sensor auszuschalten. Ist Gewohnheitssache. Das habe ich am Anfang auch vergessen, aber ich habe mich nie beobachtet gefühlt. Wozu sollten sie auch dein Privatleben ausspionieren? Hauptsache zu machst einen guten Job.“

Eine Woche später ließ sich Jena einen Chip in den Nacken operieren und sich einkleiden. Bei der Auswahl der Kleidung konnte sie modische Wünsche anbringen. Die Kleider wurden ohnehin in regelmäßigen Abständen ausgetauscht und auch die Reinigung erfolgte über die Firma. Jena fühlte sich nicht mehr unsicher beim Führen von Personalgesprächen und genoss es, den Kopf frei für andere Dinge zu haben. Nach nur einem Monat mit dem Chip konnte sie sich gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne war.

Es war stürmisch draußen und der Herbst zeigte sich von seiner unangenehmen Seite. „Jena, kommst du bitte in mein Büro. Ich möchte etwas mit dir besprechen.“ Vanessa war mittlerweile zur Personalchefin befördert worden. Vielleicht würde sie ihr eine Gruppenleiterposition anbieten. Aufgeregt schloss Jena die Tür hinter sich. „Jena, ich möchte ohne Umschweife zur Sache kommen. Wir werden uns von dir trennen. Du hast deine Leistungen in der letzten Zeit sehr gesteigert, aber, um ehrlich zu sein, hatten wir uns eine größere Leistungssteigerung nach der Implementierung des Chips erhofft. Du bekommst natürlich eine angemessen Abfindung und wir sind auch gerne bereit, dich bei der Stellensuche bestmöglich zu unterstützen.“ Vanessa sah sie an. In ihren Augen waren keine Anzeichen von Emotionen zu erkennen. Sie brachte ihr Anliegen klar und bestimmt zum Ausdruck. Jena erwiderte ihren Blick. Plötzlich spürte sie, wie ihre Coolness abnahm und Emotionen an ihre Stelle traten. Warum wirkte ihre Kleidung nicht? Jetzt, wo sie sie am meisten benötigte. Verdammt! Insbesondere jetzt, wo sie sie am meisten brauchte. Vanessa schien ihre Gedanken lesen zu können. „Bemühe dich nicht. Wir haben die Einstellungen in deinem Chip geändert. Ich könnte jetzt sogar deine Emotionen unkontrolliert ansteigen lassen, aber das möchte ich uns beiden ersparen. Unterschreibe einfach nur die Aufhebungsvereinbarung hier.“ Sie schob ihr die Vereinbarung zu. Jette fühlte sich wie gelähmt. Es kam ihr so unwirklich vor, wie in einem Traum. Und doch wurde ihr gleichzeitig brutal bewusst, dass sie sich in die Hände ihrer Firma begeben hatte. Was wusste sie überhaupt von den Chips, die sie produzierten? Wurden sie etwa auch in anderen Firmen eingesetzt? Der Gedanke ließ sie erschauern. Und was wusste sie von Vanessa überhaupt? Hatte sie ihr am Ende alles nur vorgespielt, um die Kontrolle über sie zu haben?

„Werde ich jemals frei von euch sein?“, brachte sie schließlich hervor. „Süße, wie kannst du Freiheit erwarten, wenn zivilisierte Staaten ihre Bürger überwachen? Nein, frei wirst du nie mehr sein. Aber du kannst lernen, dich zu arrangieren. Und du brauchst ein Quäntchen Glück“, antwortete Vanessa mit einem Lächeln.

 

 

 

Bettina Bonkas, Coaching + Training | Im Ärmchen 3, D-61273 Wehrheim im Taunus | Contact | Impressum | Data Protection | Datenschutz Cookie-Settings | Cookie-Einstellungen